Großväterland – Gegen das Vergessen

FullSizeRenderGroßväterland, das Projekt von Markus Freise, Alex Kahl und Christian Hartinghaus tritt gegen das Vergessen der Zeit des 2. Weltkriegs mit einer Graphic Novel an.  Dafür haben sie ein Crowdfunding gestartet, das m. E. absolut unterstützenswert ist. Die Geschichte werden in Comicform aufbereitet. Ich war mir nicht sicher, ob das funktioniert. Nach den ersten Entwürfen und auch dem Prolog-Band muss ich aber sagen, ja, das geht sehr gut! Neben den Bildern gibt es Infokästen, in denen der Historiker des Projekts Hintergrundfakten liefert und Zusammenhänge darstellt.

Gerade in der heutigen Zeit, in der man anscheinend kein Problem mehr damit hat, mit Knarren aufeinander loszugehen, ist es unglaublich wichtig, zu transportieren, dass nirgendwo so viel gelogen wird, wie im Krieg, und dass es keinen sauberen Krieg gibt. In einer Zeit, in der Alltagsfaschismus in allen Bereichen der Gesellschaft en vogue ist, muss man die Menschen mit deutlichen Bildern darauf stoßen, welche Dummheit sie begehen, hinter ein paar Populisten her zu rennen und unreflektiert deren Gedankengut rauszurülpsen.

Ich hätte meinen Opa mütterlicherseits gerne kennengelernt. Ich glaube, er muss ein faszinierender Mann gewesen sein. Überhaupt hat es die Familie meiner Mutter im Osnabrück der 1930er und 40er Jahre verstanden, sich den Nazis entgegenzustellen. Die Familie hatte eine Gemüsegärtnerei mit einem kleinen Laden in der Nähe des Neumarkts. Für die jüdischen Menschen in Osnabrück lag stets etwas unter dem Ladentisch. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass so etwas zu drakonischster Bestrafung führen konnte! Eines Tages stellte ein Osnabrücker Nazi eine Spendendose auf den Tisch, mit der mein Opa (oder Uropa) für die NSDAP sammeln gehen sollte. Er verweigerte das beharrlich, bis meine Uroma ein paar Münzen herauskramte und in die Dose warf, damit es keine Probleme gab.

Mein Opa wurde 1944 als Vater von vier Kindern eingezogen. Er wurde irgendwann als „vermisst“ gemeldet, und ist wohl in der Normandie gefallen. Meine Oma hat nie wieder geheiratet, weil sie als fromme Frau stets die Hoffnung hatte, dass ihr geliebter Mann wiederkommen würde. Er war ja „nur“ vermisst.

Ich hätte auch gern die Brüder meiner Oma väterlicherseits kennengelernt. Von ihnen weiß ich fast nichts, außer dass sie wohl bei Stalingrad gefallen sind.

In den 1980er Jahren gab es mal eine Sendung im dritten Programm „Vor 40 Jahren“. Die lief von Zeit zu Zeit bei uns. Mitunter gab es Szenen von Luftangriffen und dem vorangehenden Sirenengeheul. Ich war damals noch nicht alt genug, um das alles zu verstehen. Aber ich weiß noch, wie meine Mutter bei diesen Sirenengeräuschen wie erstarrt im Sessel saß, mit einem versteinerten Gesicht, und ihr die Tränen hinunter liefen. Sie ist 1938 geboren, hat also den 2. Weltkrieg miterlebt und auch Erinnerungen an die Bombenangriffe auf Osnabrück. Die ungewissen Stunden in Kellern, während darüber die Häuser zusammenstürzten und Brände durch die Straßen tobten.

In Osnabrück gab es seinerzeit große Industrieanlagen, die Ziele der Alliierten darstellten. Und da die Route von England nach Berlin, Hannover oder auch Leipzig und Dresden über Osnabrück führte, war die Bevölkerung extremen Bombenangriffen ausgesetzt. Was man auf dem Hinweg nicht losgeworden war, warf man auf dem Rückflug ab. Die Brutalität des Kriegs ergab, dass man nicht nur die Industrieanlagen ausradieren wollte, sondern durch massive Angriffe auf die Zivilbevölkerung auch die Menschen, die in den Betrieben arbeiteten.

Es war so schlimm, dass meine Oma mit den Kindern nach Dissen ausgesiedelt wurde, in ein Dorf etwa 20 km entfernt. Dorthin fuhr man mit dem Zug, oder auch mal zur Verwandtschaft nach Ostercappeln. Ich habe eine Begeisterung für Flugzeuge aus jener Zeit. Aber wenn meine Mutter erzählt, wie die Tiefflieger die Züge beschossen, mit denen sie unterwegs waren, so dass sie in die angrenzenden Äcker flüchten mussten und sie bei der Weiterfahrt die Einschusslöcher in den Dächern der Waggons sahen, wird mir ganz anders.

Ich muss schon weit zurückdenken, und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt schon eine Zeit in meinen 44 Jahren auf diesem Planeten erlebt habe, in dem an so vielen Stellen auf dieser Welt Krieg herrschte. Für mich besonders schlimm daran ist, dass „wir“ (ich habe die nicht gewählt) kräftig mitmischen. Ich empfinde den Begriff „Verteidigungsminister(in)“ schon lange für eine Farce. Wenn sich alle nur verteidigen würden, gäbe es ja keinen Krieg. Ehrlicher wäre wohl, wenn alle diejenigen, die erwägen, Angriffe mit Waffengewalt zu befehlen, sich dann bitte schön auch als Kriegsminister bezeichnen. Und nein, Angriff ist nicht die beste Verteidigung.

Ich lehne Gewalt ab. Je älter ich werde, desto mehr kommen meine pazifistischen Ansichten durch. Ich gebe dabei auch ganz ehrlich zu, dass ich keine Antwort auf die Frage habe: Was willst du denn machen, wenn Gewalttäter unschuldige Menschen angreifen? Mit Raketen, Bomben und Granaten zu reagieren, ist jedenfalls für mich keine Option. Die ultima ratio, Gewalt mit Gegengewalt zu kontern, gibt es für mich nicht. Wenn einige bewaffnete Gruppen überhaupt die Möglichkeit haben, andere Menschen anzugreifen und niederzumetzeln, hat die Menschheit schon versagt, weil sie es nicht geschafft hat, zu unterbinden, dass solche Leute überhaupt Waffen und Munitionsnachschub bekommen. Aber solange ja ach so viele Arbeitsplätze davon abhängen ..? Da kommt mir echt die Galle hoch.

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

 

 

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Datum: Samstag, 20. Dezember 2014
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