Villa Tugendhat

Im Sommer 2005 waren wir in Tschechien, unter anderem auch in Brno. Keine Ahnung, wie man das richtig ausspricht. Auf deutsch sagt man Brünn. Außer einer beeindruckenden Altstadt, einem Modellflugzeughersteller und einer tollen Umgebung gibt es auch die Villa Tugendhat.
Villa TugendhatDie Tugendhat-Villa wurde zwischen 1929 und 1930 erbaut von dem Bauhaus-Architekten Ludwig Mies van der Rohe. Bauherren waren Grete und Fritz Tugendhat, ein Industriellenehepaar. Sie waren Opfer der Judenverfolgung durch die Nazis und konnten nur etwa 7 Jahren in ihrem Haus wohnen, bevor sie flohen. Nach einer wechselvollen Geschichte ist derzeit (wohl) die Stadt Brünn Eigner des Hauses.

Inside Villa Tugendhat IWährend unseres Aufenthalts habe ich heimlich -Fotografieren ist offiziell eigentlich verboten, warum auch immer- einige Fotos geschossen und bei flickr eingestellt. Im Gegensatz zu den meisten anderen erfreuen sich die Fotos von der Tugendhat-Villa relativ großer Beliebtheit. Und so hat heute jemand eines meiner Bilder als Favorit abgespeichert. Da habe ich doch mal geguckt, was der denn so für Fotos bei flickr anzubieten hat. Eines war auch von der Villa dabei. Interessanter fand ich aber die dort verlinkte, schon gut ein Jahr alte Meldung, dass die Nachkommen nun die Villa für sich beanspruchen. Darum komme ich auch jetzt darauf, über die Villa zu schreiben. Ein Grund für die Rückübereignung sei, dass man sich über den Erhaltungszustand Sorgen macht. Und tatsächlich sah die Villa von außen ziemlich heruntergekommen aus. Eigentlich sollte eine Restauration kurz nach unserem Besuch beginnen. Anscheinend wurde aber wohl nichts daraus. Die Bedenken der Nachkommen scheinen mir durchaus angebracht zu sein. Ich kenne die Gesetzeslage nicht genau und noch weniger die tatsächlichen Besitzverhältnisse. Aber so richtig will ich nicht daran glauben, dass man den Tugendhats den Besitz streitig machen kann.

Villa TugendhatDer Besuch in der Villa Tugendhat hat mein Interesse für Bauhaus-Architektur, insbesondere aber für Ludwig Mies van der Rohe geweckt. Man muss nicht jeden Entwurf mögen. Einige Entwürfe finde ich einfach zu rechtwinklig und zu nüchtern. Aber meist überwiegt die Eleganz der klaren Struktur. Leider haben heutzutage die meisten Architekten ihre Kurvenlinie verlegt, und ihr Lieblingswinkel muss ein rechter Winkel sein. Aber Mies van der Ruhe hatte die Gabe, genau an der richtigen Stelle eine geschwungene Linie einzufügen. Nicht viele. Außen ist die Milchverglasung des Treppenhauses geschwungen, innen die Wand zwischen Wohn- und Essbereich. Dort stand mal ein runder Tisch, an dem 24 Personen Platz hatten. Heute steht da leider nur noch ein kleiner Abklatsch. Beachtenswert ist auch der Querschnitt der verchromten Träger, ähnlich der Form eines vierblättrigen Kleeblatts.

Villa Tugendhat

Interessant ist auch die Innenausstattung. Einige der Möbel wurden extra für die Tugendhats und ihr Haus entworfen, z. B. die Sessel als Chromschwinger. Man muss das Haus und die Möbel im Zusammenhang mit der damaligen Zeit sehen: Wie müssen die Leute damals verdutzt geguckt haben, als sie dieses völlig außergewöhnliche Haus sahen? Immerhin wurde seinerzeit konventionell mit reichlich Verzierungen und Schnörkelkrams gebaut. Aus heutiger Sicht sind wir ja einiges gewohnt. Aber damals muss das eine Sensation gewesen sein.

Wer nach Brno kommt, sollte von der Gelegenheit Gebrauch machen, das Haus zu besichtigen, sofern das möglich ist. Ich könnte gut verstehen, wenn sich jemand das Haus wieder zum Bewohnen herrichten würde. Zum Einen ist die Lage fantastisch: Vom Garten hat man einen herrlichen Blick von einem Hügel herab, und der Knüller ist, dass man die großen Scheiben vom Wohnzimmer zum Garten herunterlassen kann und dann drinnen quasi draußen sitzt. Wirklich toll!

Autor:
Datum: Montag, 10. März 2008
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: im Fluss

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Diesen Artikel kommentieren

Kommentar abgeben

(Plumpe Werbung wird gelöscht oder bearbeitet.)