Mein erstes (und vermutlich auch letztes) Mal im Berghain
Ich war im Berghain. Das ist für einen dicklichen Mann über 50 sicher nicht so ganz selbstverständlich. Durch gewisse Umstände ist mir die Ehre zu teil geworden, einen Gästelistenplatz von Primal State zu bekommen. Der hat da als Opener aufgelegt, das erste Mal im Berghain, was ja wohl eine Art Ritterschlag ist. Jedenfalls ging sein Set von 0 bis 4 Uhr (um 5 lag ich im Bett, erstaunt, dass ich solange durchgehalten habe).
Angefangen von Fragen, was man anzieht, über wann taucht man frühestens da auf (als wir um 0:15 Uhr ankamen, war die Schlange, an der wir rechts vorbeischlendern konnten, bestimmt 100 m lang oder länger, das Ende konnten wir nicht sehen), bis warum man eigentlich nicht fotografieren darf (hab ich schnell kapiert), wurde natürlich vorher einiges durchgekaut. Den Ratschlag, Ohrenstöpsel mitzunehmen, hab ich beherzigt, was sehr gut war. Die „Musik“ ist für meinen Geschmack komplett furchtbar. Damit komme ich nicht klar. Die Anlage knallt einem die Bässe nicht nur um die Ohren, sondern auch ins Gedärm. Der ganze Betonklotz vibriert. Das ist schon ein Erlebnis. Naja, und dazu das nicht enden wollende Hämmern mit 140 BPM (oder so) und mehr mit reichlich industrial sounds und wenig Melodien. Die Lichtshow trägt ihr Übriges zum Erlebnis bei. Das Strobo-Geflacker ging mir am Anfang auf die Nerven, das hat sich dann aber gelegt. Der Licht-DJ am Main Floor hat dann eigentlich einen ganz guten Job gemacht.
Das Publikum ist sehr divers, aber mehr männlich als weiblich, ziemlich jung und sexuell mitunter stark aufgeladen. Fetisch, Lack und Leder, sehr wenig bis fast gar nichts an, ist alles dabei. Entweder trägt man schwarz oder Haut, wenig weiß, praktisch nichts Farbiges. Die berüchtigten Darkrooms gibt es, hab ich mir aber nicht angesehen. Vor den beiden Toiletteneingängen auf der Main-Floor-Ebene stand ich erst etwas ratlos, wo nun Männchen und Weibchen reingehen soll. Da das bei vielen Personen eh nicht unbedingt eindeutig ist, geht eben alles durcheinander. Eher Multisex-Toiletten als Unisex. In den Toilettenkabinen werden überwiegend wohl andere Dinge veranstaltet als die natürlichen Ausscheidungsvorgänge. Der Besuch einer Kabine findet auch selten allein statt. An den Wasserhähnen spült man sich nicht nur die Hände ab, sondern vielleicht auch mal die Nase.
Gerade die totale Freizügigkeit geht nur, weil man eben nicht fotografieren darf. Auch Minderheiten in irgendeiner Form können da sein, wie sie wollen, ob mit Hundemaske oder nur ein paar Lederriemen. Die Stimmung war in der Zeit, in der wir da waren, absolut super und friedlich. Das mag in dunklen Ecken möglicherweise anders sein. Sowas hab ich aber nicht mitgekriegt. Aber zum Beispiel die Warnungen, die man auch auf der Webseite des Berghain findet, sind mit Sicherheit ernst gemeint. Ich kann nur sagen, dass man in den offenen Bereich sehr respektvoll und freundlich miteinander umgegangen ist. Außer an der Tür. Vermutlich dürfen an der Gästeauslese, am Sicherheitscheck und an der Kasse nur waschechte Berliner, sprich superunfreundliche Leute arbeiten. An der Garderobe wurde es etwas besser, das Thekenpersonal war dann sehr freundlich.
Die Getränkepreise sind moderat. Man könnte meinen, die Auslese wird an der Tür, nicht im Portemonnaie entschieden (wobei 25 Euro Eintritt jetzt auch nicht wenig sind).
Das Gebäude fand ich absolut geil. Ein alter Kraftwerksbau im stalinistischen Neoklassizismus. Innen viel Beton und Stahl, tolle Beleuchtung, wenn auch sehr düster und schummerig. Aber das muss ja wohl. Die diversen Bar-Bereiche sind jedenfalls cool gestaltet. Und weil viel und alles mögliche geraucht wird, ist die Luft zum Schneiden. Besonders warm war es nicht.
Getanzt hab ich übrigens nicht. 😉