Fiat 500: Die Geschichte meines N

„Ihr müsst ihn aber sofort mitnehmen.“ Tja, was tun? Da lagen nun die Reste eines ehemals stolzen Fiat 500 Standard-N von 1958 vor uns. Mein Bruder Stephan, Freund Andreas und ich waren im Winter 1991 früh nach Cloppenburg aufgebrochen, um uns einen der wenigen übrig gebliebenen Ns anzugucken. Den Tipp hatte ich von Axelli von der Cooperativa Cinquecento (natürlich dem Fiatkeller) bekommen, dass Wolfgang H. vor einiger Zeit einen seiner Ns gekauft hatte, aber nicht recht dazu gekommen war, ihn zu restaurieren. Und jetzt brauchte Wolfgang Platz für seine neue Firma mit Leuchtreklamen.

 

Leider klaffte allerdings zwischen der Beschreibung vor Axellis geistigem Auge und der Realität eine nicht zu übersehende Lücke. „Der ist echt gut. Z. B. den Motorraum brauchst Du nur mit dem Dampfstrahler zu säubern.“ Sicher, aber das Wasser wäre nie mehr aus dem Auto herausgekommen. Denn das Auto war in den Siebziger Jahren irgendwann mal mit dem damals dafür gehaltenen Allheilmittel PU-Schaum ausgeschäumt wurden. Und der seinerzeitige Besitzer hatte sich wirklich Mühe gegeben. Nicht nur, dass sämtliche Hohlräume der Bodenblechträger ausgeschäumt waren, nein, sogar die oberen Rahmen der kurbelfensterlosen Türen waren mit dem saugfähigen Schaum versehen worden. Dass auch alle anderen Karosseriehohlräume dicht waren, bedarf wohl keiner weiteren Erwähnung. An sich war die Substanz (wie bei den meisten alten 500ern, im Gegensatz zu den neueren) recht gut. Aber die Schaumparty hatte dem Auto doch stark zugesetzt.

Wir mussten ihn also mitnehmen. Denn wenn ein N zu akzeptablem Kurs angeboten wird, sagt man nicht nein, ich überleg’s mir noch. Was sich jetzt so einfach liest, war dennoch ein harter logistischer Brocken. Denn erst mal musste ein Transportfahrzeug her. Andreas 126’er war nicht so richtig geeignet. Wir wollten uns den N ja eigentlich nur angucken und nicht gleich mitnehmen. Außerdem durfte der N nicht zu mir nach Hause, was von Cloppenburg nicht mal 100 km gewesen wären. Schließlich durften meine Eltern doch nichts davon wissen, dass ich schon wieder ein Auto gekauft hatte. Obwohl, ich hatte meinen D schließlich gerade verkauft. Also haben wir erst mal einen VW LT 31 hoch-lang gemietet. Einige Telefonate später hatte ich dann auch einen Stellplatz bei Jasper in der Nähe von Hannover gefunden.

Der Fiatkeller war gerade zu voll, um noch ein Auto aufnehmen zu können. Obwohl Sigurd – so hatte man den N seinerzeit getauft – schon jahrelang dort auf einem eigens für ihn geschweißten Regal gestanden hatte. Das Auto nach Hannover zu bringen, den LT wieder nach Cloppenburg und uns wieder nach Hause, hat zwar noch einige Stunden in Anspruch genommen. Es ist aber nichts aufregendes mehr dabei passiert. Das einzige waren die bohrenden Fragen meiner Eltern, wo wir so lange geblieben wären. Ja, äh, Cloppenburg ist ja auch ganz schön weit und, äh, es gibt auch viel zu sehen und überhaupt…

Wie so oft in meinem Studium konnte ich mich nicht recht zum fleißigen Lernen aufraffen, schließlich war ich auch gerade durch die erste Klausur, die ich schreiben musste, durchgefallen, und so war die Motivation ziemlich im Keller. Nämlich im Fiatkeller, wo ich begann, den N erst mal zu zerlegen, bis keine Schraube mehr dran war. Ruckzuck war auch die Front abgetrennt. Ich wollte doch mal probieren, ob ich nicht mit einem anderen Frontblech das N-Blech mit den Schlitzen reparieren konnte. So machte ich dann meine ersten Übungen im Verzinnen – Alles für die Katz‘, wie sich später zeigen sollte.

Die Zeit ging ins Land und ein neuer Radlauf wuchs am linken Seitenteil an. Außerdem ein neues Bodenblech mit Schweller.

Dann hatte ich auf einmal keine Lust mehr.

Irgendwie musste ich auch bald einige Vordiplomsklausuren schreiben, durch die ich nicht unbedingt auch noch durchfallen wollte, und so wurde das N-Projekt erstmal auf Eis gelegt.

Zwischendurch war auch immer wieder mein grüner R über’n TÜV zu bringen. Und so gingen die Jahre ins Land, vor allem auch deshalb, weil mein R drohte, im Vorder- und Hinterachsbereich auseinanderzubrechen. Außerdem wollte ich sowieso einen Kombi haben, aber das ist eine andere Geschichte.

Deswegen wurde er erst mal in verschiedenen Höhlen (nacheinander) eingelagert, bis ich ihn nach meiner Diplomarbeit, ich wohnte schon nicht mehr in Hannover, in die gemietete Garage holen konnte.

Da ging’s dann zur Sache. Mein Bruder Stephan und ich hatten zwei Wochen Urlaub. Erklärtes Ziel war, die Schweißarbeiten abzuschließen und das Auto zum Sandstrahlen zu bringen. Das Sandstrahlen ließ sich nicht vermeiden, weil man den roten Lack mit dem Fingernagel abknibbeln konnte. Der blaue Originallack darunter war kein bisschen angeschliffen worden.

Im Prinzip war es gut, dass ich so viele Jahre Pause eingelegt hatte, denn es ergaben sich einige schicksalhafte Zufälle, die sonst wohl nicht eingetreten wären.

Insbesondere trifft dies auf die wahre Begebenheit zu, dass ein mir nur entfernt bekannter Fiatfahrer (ich glaube, ich habe ihn an jenem Abend erst kennengelernt) in einer Kneipe in Braunschweig („Dialog“) mir im Gespräch über irgendwelche Fiatteile erzählte, er habe noch ein neues N-Frontblech zu Hause. Das hatte er mal auf dem Sperrmüll gefunden. Es stand schon an der Straße!!! Das wollte er mir wohl verkaufen. Ich fragte mehrere Male unauffällig nach, ob es denn wirklich keine Blinkeröffnungen sondern Schlitze im Frontblech habe, was er mir auch immer wieder bestätigte. Wir wurden uns über den Preis schnell einig – und ich konnte selig ein wirklich nagelneues N-Frontblech in meinem WG-Zimmer für mehrere Jahre an die Wand hängen. Ein tolles Gefühl. Es hing dicht neben dem CMR-(„geschlossene Borranis“)-Felgenturm, den ich auch schon aus Italien für den N mitgebracht hatte. Sie waren zwar nicht ganz billig, aber in exzellentem Zustand.

Ursprünglich hatte ich vorgesehen, ihn wieder in der originalen Farbe lackieren zu lassen. Heute bin ich froh, dass er nicht „Schlüpferblau“ geworden ist. Irgendwann hatte ich meine Fotos vom 89er Treffen in Garlenda mal rausgekrammt. Da war nämlich so ein schlüpferblauer N abgebildet. Bis mir klar wurde, dass mir der N daneben viel besser gefiel. Und dann sah ich eines Tages einen Mercedes /8 in so einer Art Taubenblau. Das kam der Fiat-Farbe doch sehr nahe, und man bekommt auch mal eine Sprühdose, um Kleinteile zu lackieren (mit den angemischten Dosen habe ich schlechte Erfahrungen gemacht.)

Also wurde er Mercedes-Blau 903, wohl eine typisch deutsche Farbbezeichnung.

Wie immer machte der Zusammenbau dann den meisten Spaß. Wenn nicht der Hausbau dazwischen gekommen wäre. So musste ich ihn ein weiteres Mal für ein Jahr wegstellen. Zwischenzeitlich hatte ich mir das Kennzeichen WAF-FN 500 reservieren lassen. Da die Reservierung über den Jahreswechsel 2000/2001 hinaus nicht mehr zu verlängern war, hatte ich nun einen Stichtag. Und so rollte er Mitte Dezember zum TÜV. Ein Freund mit gutem Draht zum (natürlich) Osnabrücker TÜV erledigte dann die Vollabnahme. Es wurde auch gleich alles eingetragen. Tieferlegung, 600cm³-Motor, CMR-Felgen, Lenkrad und Auspuff.

Man mag über diese Veränderungen streiten können. Viele haben mir schon gesagt, ein N müsste unbedingt original sein. Finde ich nicht. Zum einen habe ich keine Lust, andauernd die 5-Mark-Stück großen Ruckdämpfer (mit nur drei Schrauben) auswechseln zu müssen. Zum anderen mag ich diese doch dezenten Veränderungen. Sie stehen dem 500’er einfach, ob R oder N. Den nächsten N kann ich ja dann original lassen. Der müsste dann aber auch aus der aller ersten Serie ohne Lenkstockschalter und mit 13 PS sein. Mal sehen, ob ich davon irgendwann noch mal einen ergattern kann.

Ein Zugeständnis an die Gebrauchstüchtigkeit sind sicherlich auch die Kurbelfenstertüren. Aber wenn man mal in ein Parkhaus will, wird man sich schon wundern. Entweder muss man durchs Dreiecksfenster angeln, klappt das nicht, bekommt man die Tür nicht weit genug auf, um aussteigen zu können. Naja, ehrlich gesagt, war ich nur zu faul, die Originaltüren zu restaurieren. Aber an denen ist durch den PU-Schaum wirklich jede Kante durchgerostet, auch oben und hinten und überall. Da kamen mir die rostfreien D-Türen gerade recht.

Inzwischen habe ich schon viele Kilometer mit meinem N genossen. Nur nicht die Fahrt am Karfreitag (dem 13.), als ich wir im Schneegestöber liegengeblieben sind.  Aber das ist schon fast vergessen. Bei schönem Wetter macht das Auto wirklich viel Spaß.

Das ist nun schon alles viele Jahre her. Und inzwischen habe ich das Auto nicht mehr. Ich habe nicht etwa den Spaß daran verloren, sondern es war mir dann in Berlin schlicht zu schade zum Fahren. Als in anfing, Standschäden wie festsitzende Bremsen und Kupplung zu reparieren, hab ich mich entschlossen, den Kombi zu behalten. Eine gute Entscheidung, auch wenn sie mir natürlich sehr schwer gefallen ist.

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Datum: Sonntag, 16. Dezember 2007 13:49
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5 Kommentare

  1. 1

    […] Wo wir schon beim Reloaden sind: Ich hab mir mal die Mühe gemacht, und die N-Story von meiner alten 500web-de Homepage hier adaptiert. Wenn die Bilder komisch angezeigt werden, liegt das an meiner Unfähigkeit, mit dem Editor richtig umzugehen. […]

  2. 2

    […] wieder auferstanden. Ich meine, diesmal passen die Fotos auch besser in den Text als bei der N-Story. Aber das muss ich mir erstmal bei größerer Auflösung […]

  3. 3

    […] Jahre hatte ich meinen Fiat 500 aus dem Jahr 1958. 10 Jahre davon hat allein die Restaurierung gedauert. Wir sind gemeinsam auf viele Treffen gefahren, (fast) nie liegen geblieben. Die Straßen […]

  4. 4

    nette berichte & tolle fotos!

    sag mal, weisst du mehr zu den der version mille miglia felgen auf den neueren bildern deines fiat 500 n?

    sind es ebenfalls alus und wie alt sind diese in etwa?

  5. 5

    Danke!

    Die Felgen sind CMR/Borranis. Stahlfelgen, die ab Ende der 1960er bis in die 1970er Jahre produziert wurden.

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