Boah, is dat weit wech!
Dienstag, 6. Mai 2008 9:25
„Das is ja soooo weit!“ Solange man in Berlin ist und nicht weg muss, ist ja alles gut. Aber wehe, wenn man mal woanders hinwill! Dann merkt man erstmal, dass Berlin nicht gerade der Nabel der Welt ist. Alles ist weit weg. Alles! Und wie. Letztes Wochenende ging es zum Bremer Fiat 500 Frühjahrstreffen. Das sind mal eben schlappe 400 Kilometer, wo ich früher nur gerade gut die Hälfte gefahren bin. Aber wie musste ich mich zurecht von Karsten belehren lassen: Ich bin es, der weggezogen ist, nicht die anderen. Stimmt. Aber selbst zum Berliner Fiat 500 Treffen sind es 100 km. Das ist doch nicht normal! Dennoch hat die Entfernung auch ihre guten Seiten. Es lohnt sich nicht, schneller als Material schonend zu fahren. Denn, ob ich nun ne halbe Stunde früher oder später ankomme, macht bei der gefühlten Tagesreise den Kohl nicht fett.
Also habe ich mich mit Kerstin und Rainer an der Autobahnraststätte Linumer Bruch, nordwestlich von Berlin, verabredet: 1. Mai, Donnerstag, 10 Uhr. Ich war dann auch pünktlich wie verabredet dort und bekam kurz nach 10 einen Telefonanruf: „Der Motor von Kerstins Auto klingelt, ich muss mal nach der Zündung sehen.“ – „Jo.“ Ein paar Minuten später dämmerte mir, Momang, da hängt doch der Wohnwagen dran. „Bau‘ mal die Motorhaube ab, der wird zu heiß. Das ist kein Zündungsproblem.“ – „Jo.“ Wieder etwas später trällerte mein Handy erneut: „Kommen bei dir noch Autos vorbei?“ – „Jo.“ – „Wir stehen hier auf drei Spuren. Das kann noch dauern.“ – „Jo…“
Gegen 11 kamen die beiden angekullert. Rainer mit seinem unglaublich grünem Kombi und Kerstin mit ihrem orangen 500er samt angehängtem Dethleffs Camper. Ein wenig Smalltalk, dann ging’s weiter. Erstmal. Denn schon kurz darauf haben wir einen Rastplatz angesteuert: Das Klingeln war wieder da. Hm. Naja, probieren wir eben mal meinen Kombi als Zugfahrzeug, obwohl ich nicht sonderlich scharf darauf war. Das Problem zeigte sich auch sofort in Form meines Getriebes: Mit der langen Hinterachsübersetzung musste ich ständig zwischen drittem und vierten Gang hin- und herschalten, im vierten fing auch der Kombimotor an zu klingeln, im dritten krähte der Motor (für mich) unerträglich. Außerdem hat es noch einen Ölkühlerschlauch erwischt. Glücklicherweise kann ich den Kühler mit zwei Hähnen abklemmen. Also ging’s ohne Extrakühlung weiter. Schlussendlich haben wir den Wohnwagen am Rastplatz Stolpe abgestellt, Rainer ist mit dem grünsten Kombi der Welt zurückgefahren, um anschließend das anhängertaugliche Familiengefährt zu holen, Kerstin und ich sind in aller Ruhe weitergefahren. In Stillhorn wurde getankt, wo sich schon angenehm geringer Verbrauch ankündigte. Den beiden Anhaltern mussten wir leider absagen. Alle Plätze besetzt mit Taschen und Modellflugzeugen etc.
Ungeplant fuhr Kerstin ein weiteres Mal rechts ran. Diesmal war es der Auspuff, der Rainer eines besseren belehrte, dass es doch etwas gibt, das besser als ein Provisorium hält. Die hinteren Krümmerschrauben hatten sich samt Gewinde verabschiedet, und dabei waren da schon M10er Schrauben reingewürgt worden. Mit etwas Bowdenzugseil wurde der Krümmer soweit es geht an den Kopf gezogen, damit der Motor nicht so aus dem Spalt herausfeuert. Das hat dann auch tatsächlich bis zur Ankunft gehalten. Ca. 7 Stunden nach der Abfahrt, ich weiß es nimmer genau, war ich damit am Ort des Geschehens: Der Backsberg liegt zu meinen Füßen!
Die ersten waren schon am Mittwoch eingetroffen und hatten auf der Wiese in den Mai getanzt. Darum waren sicherlich schon 15 Autos da. Wie üblich baute ich mein Zelt in der hinteren Ecke auf. Glücklicherweise hat mir (Visa-)Martin geholfen, denn es musste das große Zelt sein, schließlich sollte ich nicht allein bleiben die ganze Zeit… Die Begrüßungsrunde führte mich natürlich auch zum Anmeldewagen und Multi-Purpose-Zelt, in dem Harald and Friends Berge von Kuchen und Pizza backten. Jetzt ist auch klar, woher der Backsberg seinen Namen hat! Das ist wirklich einmalig: Praktisch zu jeder Tages- und Nachtszeit werden Bleche mit frisch gebackenen Köstlichkeiten aus dem Ofen gezogen. Echt super!
Nach dem mich das Lagerfeuer von vorn gebraten hat und ich hintenrum genug durchgefroren war, bin ich in meinen Schlafsack gekrabbelt. Trotz doppelter Socken und Zwiebelschalentechnik krabbelte die 4°C-Nachttemperatur an meinen nicht überall gleichmäßig isolierten Luxuskörper: „Schatz, bring‘ Decken mit!“, bibberte ich am nächsten Morgen in mein Wiesenfon „Jo.“ Ich hab mir auch noch ein paar von Haralds Möbeldecken geliehen, die er in seinem Hanomag stets liegen hat.
Am nächsten Tag sind Ralf, Nadine und ich samt Fremdenführer Klaus nach Bremen reingefahren, um mal wieder einen Blick auf die touristischen Highlights zu werfen. Ganz weit vorn liegt der Papierbastelbogenladen im Schnoor! Wieder auf dem Platz angekommen mussten wir was essen. Da machte ich Bekanntschaft mit einer weiteren Perversität unserer Konsumgesellschaft, die ich noch nicht kannte: Wegwerfgrill: Anzünder, Kohlen, Grillrost alles in einem. Anfachen, Grillen, Wegwerfen. Wahnsinn… Die ersten Würstchen schmeckten meiner Meinung aber etwas nach Grillanzünder. Während unserer One-way-Grill-Session ging ein ordentlicher Regenschauer runter. So richtig warm war mir nicht. Das musste besser werden! Schließlich geht mir die Kälte nur an eine Niere. Das’s nich gut. Der Freitagabend wurde mit einer Lehrer-Schüler-Modellflugsession für Cemil eingeläutet. Danach gab es wieder dieses Feuer von vorn und das Anti-Feuer von hinten. Achja, und natürlich Pizza und Kuchen.
Samstag ist traditionell der Tag der Eintagsfliegen. Leute wie Gerd fliegen für einen Tag vorbei, um nachzusehen, ob die anderen auch ja tagsüber einen Sonnenbrand bekommen und sich nachts den Ar*** abfrieren. Immerhin gesellte sich meine Chefin zu mir, mit der ich auch nachts das eigens errichtete Falteigenheim teilen würde.
Auch Philipp aus Hamburg war endlich wieder online: Sein Guzzi-D steht wieder auf allen Vieren und rennt wie früher. Wir hatten uns vorher schon grob verabredet, und ich war auch unter anderem deswegen nicht die Ausfahrt mitgefahren. Nach ein wenig Fachsimpelei über die neuesten Goodies -die Motorelektronik is ziemlich cool- wurde ein Traum war: Ich durfte mal ne Runde fahren. Wow! Der Bremer Philipp ist schnell zugestiegen. Erst fand ich in der Citroën-Schaltbox den Rückwärtsgang nicht, schließlich liegen die einzelnen Gänge trotz halbem Meter langem Schaltknüppel nur gut 1 bis 2 cm auseinander. Irgendwann ging es aber voran und wie:
BAAUUUUUUu-BAUUUUUUUuuuuuuu-BAUUUUUUUUUuuuuuu-BAAAUUUUuuuuuuuuuuuuuu
Vier Gänge durchgeschaltet, 130 km/h auf der Uhr und noch nicht mal in Fischerhude! Wow, macht das Teil ein Spektakel. In den fünften habe ich mich nicht getraut zu schalten, der lag mir zu dicht am dritten. Dafür hätte ich noch ein wenig üben probieren müssen. Die Bremse ist was für Männer. Wenn man richtig zulangt, spricht sie aber super gefühlvoll an. Überhaupt ist das ganze Auto kein fauler Kompromiss, wie einige andere Dosen, die ich zuvor mal gefahren bin. Da rappelt nichts im Fahrwerk, da klappert nichts. Der fährt geradeaus, wenn er soll und um die Kurve, wenn er darf. Einfach genial! Besten Dank für dieses Erlebnis. Das Auto hat mich auch in meiner Überzeugung bestärkt, dass es für mich keinen Sinn macht, einen Fiat-Motor großartig zu tunen, was über eine Nockenwelle und ein bisschen anders Bedüsen und Kopfarbeit hinausgeht. Wenn es voran gehen soll, und zwar richtig, müssen es schon 70 PS sein. Demnächst muss ich nur mal zum Gesichtschirurgen und mir das Dauergrinsen wegoperieren lassen.
Der Samstagabend war dann so ähnlich wie am Tag zuvor: Ein bisschen Modellfliegen, ein bisschen Benzin Reden, ein bisschen Nachdieseln. Achja, und Axels Essen. Das gab es so gegen 8, also genau rechtzeitig. Der Aufwand wurde in diesem Jahr (angeblich) etwas geringer gehalten, so dass nicht Herscharen fleißiger HelferInnen schnippeln mussten, was das Zeug hält, sondern nur drei oder vier. Das Ergebnis war wie immer beachtlich: Salat, Nudeln mit drei verschiedenen Soßen und zum Dessert Panna Cotta. Das Essen war und ist immer ein Highlight des Bremer Treffens. Nur finde ich es wirklich nicht erforderlich, den Aufwand grenzenlos zu steigern, was in der Vergangenheit mal so aussah. Selbst beim diesjährigen Treffen schien es noch Arbeit genug gegeben zu haben. Allerdings sollten über kulinarische Erlebnisse und den Weg dahin wohl besser Leute berichten, die davon Ahnung haben. Nudeln und Sauce schmeck(t)en mir jedenfalls sehr gut!
Das Lagerfeuer am Samstag sah zunächst im Vergleich zu Donnerstag oder Freitag etwas kümmerlich aus. Dennoch leistete es dank einiger pyromanisch veranlagter Herren unter anderem aus Holland oder den Niederlanden gute Wärmedienste. Da mich schon den ganzen Tag Kopfschmerzen plagten, obwohl ich mir nichts vorzuwerfen hatte, war ich früh im Schlafsack unter einem Haufen Decken verschwunden. Dafür war ich dann morgens wieder der erste bei der Dusche. Praktisch.
Habe ich schon erwähnt, dass es morgens frische Brötchen aus den Teig“resten“ gab? Einfach genial, die Organisation! Nach dem Frühstück lag am Sonntag noch das Packen und die Rückfahrt vor mir. Weil es Kerstin und Rainer gemütlicher angingen ließen und meine Chefin keine Lust hatte, hinter meiner lahmen Karre herzutrödeln, war ich mal wieder als Freerider allein auf weiter Flur unterwegs.
Außer, dass vor Berlin, das im Übrigen echt total weit von allem entfernt ist, der Verkehr stockte, so dass ich ab Fehrbellin Landstraße gefahren bin, habe ich nur noch den freundlichen (!) Cayenne-Fahrer an der Tankstelle in Erinnerung, dessen Frau der Meinung war, dass mein Auto ein Fiat 500 Kombi sei und er sich nun vergewissern wollte. Natürlich habe ich im Nebensatz fallen lassen, dass ich mal gerade nur 4,8 l/100km verbraucht habe, worauf er meinte, dass sogar ein Smart mehr verbraucht. Ich habe das mal so stehen lassen und keinen Kommentar zu seinem Panzerspähwagen abgegeben. Der überholte mich dann auch geschlagene 10 Minuten, nachdem ich längst losgefahren war. Kein Wunder, ein Hektoliter tanken dauert eben länger als ein paar Tropfen.
Noch einmal vielen Dank an Uli und Harald nebst den diversen Helfern für das schöne Treffen! Bis nächstes Jahr in Bremen.
So long.
Thema: cinquecentistisch | Kommentare (1) | Autor: Will Sagen