Vivian Maier und die SPD passen nicht zusammen

Vivian MaierSeit geschätzt Ende der Nuller Jahre (seit 2008/2009 oder so) verfolge ich, was sich um den Fund der Fotos von Vivian Maier tut. Das ist im Vergleich zu vielen Anderen (vor allem Offlinern) wahrscheinlich ziemlich lange. Jedenfalls habe ich schon relativ früh von John Maloofs Fund in einem Blog erfahren.

Inzwischen ist Vivian Maier quasi im „Mainstream“ angekommen. Den Dokumentarfilm habe ich zwar noch im b!ware-Ladenkino gesehen, also vielleicht nicht gerade im Highend-Lichtspielhaus, gleichwohl sehr sympathisch dort, aber nun ist die erste Foto-Ausstellung in Deutschlands SPD-Zentrale angekommen. Da bin ich gestern gewesen und habe mich gefreut, viele Fotos nun mal in echt anschauen zu können. Und vor allem bietet das Willy-Brandt-Haus ja auch durchaus die passenden Räumlichkeiten dafür. Die Ausstellung ist wirklich sehr sehenswert!

Ich nehme mal an, bei Willy Brandt zu Hause ist sonst eher weniger los. Nicht zu übersehende Menschenmengen schoben sich in das Gebäude, in die Ausstellungsetage. Dort findet man neben etlichen Abzügen auch ein paar Informationstafeln (mit innovativer Kommasetzung, wenn ich das mal sagen darf …) über Vivian Maier aber auch über Street Photographie und ein paar Ikonen des Genres.

Man darf wohl mit Fug und Recht behaupten, dass praktisch keines der berühmten Street-Photographie-Fotos (super Wort …) auf legalem Wege in die Ausstellungen und Fotobildbände dieser Welt gekommen ist. Dass die Personen auf den Fotos gefragt wurden, muss man wohl wirklich nicht in Erwägung ziehen.

Vivian MaierStreet Photographie. Genau die Art des Fotografierens, die ich so mag. Und genau die Art des Fotografierens, die die SPD als Teil der derzeitigen Bundesregierung extrem erschwert hat.

Seit ein paar Wochen ist ein Gesetz mit folgendem Wortlaut in Kraft:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.“

Dass man als Straßenfotograf sowieso stets mit einem Bein im Knast steht, ist nichts Neues. Allerdings gab es die Probleme bislang erst dann, wenn man die Fotos von Personen, die man nicht um Erlaubnis gefragt hat, veröffentlicht hat. Dass man auf der Straße Leute nach Lust und Laune fotografierte, war bislang niemandem verboten. Das ist jetzt anders.

Vivian Maier„Hilflosigkeit“. Was heißt denn das? Wie wir es in den letzten Jahren nicht anders kennen, haben unsere Regierungsexperten es mal wieder geschafft, ein Gesetz so zu formulieren, dass erst Gerichte klären müssen, was gemeint ist, natürlich auf den Einzelfall bezogen. Sind die Personen auf dem Bild links vielleicht hilflos, weil sie nicht wissen, welches der tollen Fotos sie sich zuerst anschauen sollen? O.k., ist überspitzt, aber das Problem wird deutlich:

Oder sind es nämlich vielleicht Fotos von Obdachlosen auf der Straße, oder Kindern, Betrunkenen, Verletzten?

Fotos solcher Personen findet man auch in der Vivian-Maier-Ausstellung im Willy-Brandt-Haus. Ob nun die Freiheit der Kunst darüber steht, dass man solche Fotos aufnehmen darf, weiß ich nicht. Macht sich die SPD jetzt vielleicht sogar strafbar, dass sie Fotos von vielleicht in den USA noch lebenden Personen unbefugt zeigt?

Was weiß ich schon. Aber es lebt sich ja ganz gut in dieser Doppelmoralwelt.

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Datum: Sonntag, 8. März 2015
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