Internetforen: Futter für soziokulturelle Studien
In „meinem“ Forum ist’s wieder mal hoch her gegangen.
Hintergrund war, dass ein in der Szene bekannter Händler ein Auto recht ungeschickt bei Ebay angeboten hatte, das Auto zu einem horrenden Preis verkauft worden sein soll und kurze Zeit später wieder auftauchte. Außerdem wurde noch ein weiteres, ebenfalls völlig überteuertes Auto fast zeitgleich angeboten.
Solche Angebote bleiben typischerweise nicht unentdeckt. Rasch wird gepostet und entsprechend kommentiert. Typischerweise nehmen Händler in Person nicht an Diskussionen teil, lesen aber wohl anonym mit. Oder sie haben sympathisierende Informanden. So auch im letzten Fall.
Am Anfang ist es immer lustig. Ein Wort gibt das andere, viel Gezwinker hier und Gelole da. Spätestens nach zwei bis drei Tagen kippt die Stimmung. Der Sympathisant meldet sich zu Wort. Der Händler sei not amused. Ach was. Also ist nun der Moderator gefragt, die Diskussion entweder in die richtige Richtung zu lenken, einige Beiträge gerade zu biegen oder das ganze Thema zu beseitigen. Sofort ist meistens von Rufmord, Verleumdung und was nicht noch sonst alles die Rede. Also muss man als verantwortungsvoller Moderator (und Betreiber) gucken, was an der Sache dran ist.
Ich versuche, möglichst objektiv vorzugehen. Objektiv sind vor allem frei zugängliche Information, die in diesem Fall aus den Ebay-Auktionen bestanden. Tja, was sahen wir da? Einen nicht wirklich fehlerfreien Anzeigentext, Seiten aus einem älteren Wertgutachten mit je zwei Fotos und eine weitere Seite aus einem Wertgutachten mit der Angabe des Wertes. Nur leider stimmte die Gutachtennummer nicht mit der auf den Bildseiten überein. Recht nebulös heißt es im Text, das Wertgutachten sei abgewertet worden. Nunja. Alles in allem machte das einen wenig seriösen Eindruck. Auch das zweite Angebot ließ Zweifel daran aufkommen, ob da wirklich so etwas außergewöhnliches zur Auktion kam. Vor allem konnte man deswegen stutzig werden, weil unter dem bekannte Ebaynamen des Händler die Angebote für die zufriedenen Kunden als Privatauktion eingestellt worden seien.
Aber ich konnte feststellen, dass alles, was in dem Forumsthema zu lesen war, im Prinzip dem entsprach, was man den Auktionen entnehmen konnte, bis zu dem Zeitpunkt, als sich der Sympathisant bemüßigt fühlte, zum Schutze des Händlers ein paar Hintergrundinformationen preisgeben zu müssen. Verkauf und so sei alles mit rechten Dingen zugegangen und der neue Anbieter sei bereits abgemahnt worden, weil er den gleichen Text benutzt habe. Nun war es natürlich um die anderen Mitdiskutanten geschehen. Man wollte wissen, in welcher Verbindung der Sympathisant zu dem Händler steht und ob er die Kontoauszüge gesehen habe und und und. Wie immer gab ein Wort das andere, und die Angelegenheit brodelte inzwischen recht ordentlich. Der Punkt, zu entscheiden, wie es weitergeht, war also gekommen: Schließen oder Gucken, wie es weitergeht? Ich entschloss mich, die Sache zunächst laufen zu lassen.
Es ist tatsächlich so eine Sache, ob man verantworten kann, dass ein Händler in schlechtem Licht dasteht. Andererseits meinte ein anderer Händler mal zu mir, dass man (ich) das Forum völlig überschätze. Das sei für die großen Verkäufe alles unwichtig. Also, wenn das keine Relevanz hat, kann es ja so schlimm nicht sein, wenn mal Kritik geübt wird. Natürlich meint der Sympathisant sogleich, dass sei geschäftsschädigend und der Händler sei überhaupt der beste Mensch auf der Welt. Ich kenne den Mann nur von einem Telefonat und habe ihn vor über 10 Jahren einmal auf einem Teilemarkt gesehen. Daher stehe ich dem Ganzen ziemlich unvoreingenommen gegenüber. Ich denke, wenn jemand durch nicht astreine Ebayauktionen auffällt, hat er es auch nicht besser verdient, als dass man genauso öffentlich wie die Auktionen darüber diskutiert. Was kann ich oder das Forum dafür, wenn sich jemand selbst der Lächerlichkeit preisgibt? Es bleibt nur die Frage, ob man die Plattform dafür bieten darf, dass solche Informationen verdichtet und kanalisiert werden. Darum stand mein Entschluss schon relativ früh fest: Ich lasse das Thema nur begrenzte Zeit öffentlich. Ein paar Tage, dann kommt es auf die Datenmüllhalde.
Schließlich meinte der Sympathisant aber dennoch, er müsse mit dem großen Paukenschlag seinen Abgang einleiten. Den Rundumschlag würzte er mit diversen Vulgärausdrücken, um abschließend – wie üblich – die Löschung seines Accounts fordern. Das war genau das, was ich erwartet hatte: Alles Schweine, nur ich und der Händler nicht. Ist klar.
Was lerne ich aus der Angelegenheit:
- Für den lieben Frieden müsste man früher eingreifen.
- Objektiv zu sein, kann ungemütlich werden und macht Arbeit.
- Ich muss mir darüber im Klaren sein, ob ich jegliche Händlerkritik gleich abbiegen soll. Da die Händler sich nicht persönlich äußern, auch nicht per E-Mail an mich, obwohl sie wahrscheinlich Kenntnis davon haben, kann es aber so schlimm nicht sein.
- Ich lösche Accounts so, dass sie wieder hergestellt werden können.
- Den wahren Charakter von Menschen erkennt man erst, wenn es ungemütlich wird.
- Ich kann die Welt nicht verbessern.
Montag, 3. März 2008 9:33
Ich war heute morgen ein wenig überrascht, dass der Beitrag gelöscht wurde und im Forum nicht mehr zur Verfügung stand. Genauso überrascht war ich aber auch schon in den Tagen zuvor über die Aussage, „man würde Rufmord am Händler“ betreiben.
Die Diskussion ist meiner Meinung nach doch relativ sachlich geführt worden. Ohne Spekulationen, ohne großartige Hetzereien. Angeheizt wurde das Ganze schließlich durch den erwähnten Sympathisanten. Der – soweit ich mich erinnere – auch erstmals den wahren Namen des Händlers ins Spiel brachte.
Nun ist es das gute Recht eines Jeden, seine Meinung kund zu tun. Wenn es allerdings so endet, dass man wie oben beschrieben, einen Aufsehen erregenden Abgang einleitet und mit einem Rundumschlag alles platt macht, dann ist das nicht in Ordnung.
Foren sind schließlich Diskussionsforen. Und zu Diskussionen gehören nunmal gegensätzliche Meinungen und Auffassungen. Doch anscheinend gibt es hier keine Diskussionskultur mehr und jeder fühlt sich sofort beleidigt, wenn man mit der Meinung des Gegenübers nicht konform geht.
Schade, aber das ist wohl so. Und so etwas lässt sich sicherlich auch von einem Moderator nur schwer verhindern.
Ich würde mir trotzdem wünschen, dass solche Themen nicht verschwinden, sondern vielleicht lediglich ein wenig aufgeräumt und schließlich geschlossen werden. Vielleicht dient das Thema dann als „mahnender Thread“ und gerät nicht so schnell in Vergessenheit bei der nächsten Auseinandersetzung. Vielleicht denke ich hier aber auch einfach nur zu naiv.
Bis zum nächsten Crash!