Polleralarm um #barngate
Oijoijoi! Da ist ja mal was los, hier in der südlichen Schönhauser Allee! Es hat nämlich ein neues Café eröffnet. Jawoll. Gut. Das allein ist jetzt nicht sooo was besonderes. Nein.
„Stein“ des Anstoßes ist ein Betonpoller, der den Eingang der Scheunen-Kaffeerösterei, frei übersetzt ins Deutsche, versperrt. Man spricht in dem Laden wohl nur englisch. Apropos englisch. Ich mag ja das englische Wort für Beton. Während man im Deutschen gut zwischen Betonung und Betonierung unterscheiden muss, hat der Engländer dieses Problem mit dem Begriff „concrete“, wobei die Begrifflichkeiten „handfest“ und „Beton“ allerdings durchaus bedeutungsverwandt sind.
Wie auch immer. Im Eingang der BetonKaffeerösterei steht nun also ein „Pollino„. Ein braver, stiller Geselle, 90 cm hoch, 170 kg schwer. Klingt sympathisch, oder? Verhindern soll unser grauer Freund, dass Kinderwagen in das Etablissement geschoben werden. Ob mit Menschenjungem drin oder nicht: Darauf kommt es nicht an, weil er der Sicherheit dient. Und das ist gar nicht so weit hergeholt. Kinderwagen haben die Eigenschaft, Fluchtwege zu versperren, so Cliff Barnes der Betreiber auf seiner Facebook-Seite. Denn, während es Versuche mit feststehenden Säulen als „Wellenbrecher“ vor Ausgängen gibt, um den Strom der brandgefährdeten Koffeinjunkies vor dem Ausgang zu teilen, so dass es nicht zu einer Verstopfung kommt, würden sich hingegen Kinderwagen mit ihrer volvoesken (volvo = lat. ich rolle) Eigenschaft durch den hipsterhaften Schub von hinten gleich zu hunderten in der Pforte (engl. = gate) des Kaffeenariums verheddern. Und das will ja keiner. Damit also alle rauskommen, bevor sie kaffeebraun geröstet werden, darf kein Kinderwagen rein, wofür es wissenschaftliche Belege gibt. Fast könnte man meinen, dass der Laden alle Nase lang in die Luft fliegen müsste, wenn man das hier auf dem mit „Welcome“ überschriebenen Bild (auch bei Facebook) liest: High risk of fire and smoke in our manufacturing space. Wuff!
Nur, wer Kinderwagen aussperrt, mag auch keine Kinder. Klar. Ja ne. So ist das ja nicht gemeint, lässt der Betreiber verlauten. Kinder ja, aber ohne eigenen vierrädrigen Untersatz. Kann man glauben. Muss man aber nicht. Vielleicht also doch Anflüge einer separatistischen Vereinigung kinderloser Bohnenfreunde? Andere Lokalitäten lassen auch bestimmte Leute vor der Tür, die nicht genehm sind. Man denke nur an Schlachtereien. „Wir müssen draußen bleiben.“ steht unter dem Konterfei eines traurigst dreinblickenden Cockerspaniels. Und wie wir alle wissen, sind Hunde auch nur Menschen.
In der Oase des tiefschwarzen Zappelwassers ist man zu allem Überfluss gegenüber Musik (gibt’s nicht) feindlich eingestellt. Man soll sich unterhalten. Hab ich noch nie geschafft, wenn ich allein in einem Café saß. Mich spricht auch keiner an (zum Glück). Wie man dem Welcome-Bild ebenfalls entnehmen kann, soll man sich mit dem stolzen Barista unterhalten, wie er die Gerätschaften bedient, die auch in der Kulisse von „Das Boot“ schon Verwendung gefunden haben könnten. Überall gluckert und zischt es. Vorne oben 10 hinten unten 15, denke ich so. Aber mal im Ernst: Das ist doch nichts für Stammkundschaft. Oder macht der, wie heißt das Gesöff doch gleich? Richtig, Kaffee vergesslich, so dass man bei jedem Besuch neu erklärt bekommen muss, wie man Kaffee kocht? Zum eigenen Glück kann man also die Stille neben, hinter, über und unter dem Geblubber genießen!
Nun sind wir aber doch bei meinem persönlichen Ausschlusskriterium angekommen: Es gibt keinen Zucker für den Kaffee. Und das, wo wir doch wissen, dass guter Kaffee schwarz wie der Teufel, süß wie die Sünde, heiß wie die Hölle zu sein hat. Zucker im Kaffee: Also, echt! Da könnt man am Ende auch geraspelten Hartkäse über die Nudeln tun, oder einen Spritzer Zitrone in den Tee. Gibt schon perverse Leute …
Schade also, dass der Laden wohl nichts für mich ist, wo mir die Ruhe und Entspanntheit bei einer Tasse Kaffee und einem Blick in die weite virtuelle Welt gut gefallen würde! Aber auch Laptops sind kommunikationshemmend, meint man. Gut. Während ich mich frage, ob ich meinen Bürodesktoprechner mitnehmen dürfte, würde ich also stumm auf dem Barhocker sitzen und mich nicht unterhalten, während ich das in einem anderen Laden mit der ganzen Welt tun dürfte. Und da sind wir dann auch beim www angekommen. Heute ist ja alles Facebook. Und weil alles Facebook ist, ist man ohne Facebook nichts. Facebook ist ja social media, und so plattformmäßig. Leute unterhalten sich miteinander. Mittels zielgerichtet durch Leitungen und Äther geschossener Elektronen und so. Aber da wissen wir ja, dass man in der Kaffeescheune davon nicht so viel hält. Und bevor eine Unterhaltung mittels Computer erst aufkommt, löscht man lieber die Kommentare, die einem nicht passen. Nicht nur aus den Kaffeebohnen, nein, auch aus dem Internet möchte man eben nur das Beste herausholen.
Ich hol mir jetzt nen Kaffee. Mit einem Zuckerwürfel drin. Unsere Maschine sagt mir, dass es 240 ml braunen Nasses sein werden, die gleich in mich hineinfließen.
Btw.: Hier noch eine eben geschossene Bilderserie:
Skandal: Ein Bulli versperrt den Blick auf den Skandal-Poller! Rechts am Bildrand Hunderte 2 protestierende Prenzl-Mütter mit Kindern in Tragetüchern (Können die sich keinen Kinderwagen leisten?)
Da ist er: Der Skandal-Poller!
Unbeabsichtigt geschossenes Foto mit einer Aussagekraft, stark wie amerikanischer Kaffee.
Nahaufnahme. Man kann gerade das kleine Schildchen erkennen mit dem „Kinderwagen verboten“-Symbol.
Ulli Zelle habe ich zwar nicht gesehen, aber die Leitmedien der westlichen Hemisphäre der RBB war auch schon da, um die protestierenden Prenzlmütter zu interviewen.
Und mal ganz im Ernst: Ist es nicht ne geile Stadt, die selbst für solche kruden Ideen nicht nur ein Ladenlokal, sondern auch Kapazitäten frei hat, sich darüber aufzuregen? Stark, oder?
😉
Donnerstag, 27. September 2012 16:17
Ach,was hast Du das alles schön auseinander gepflückt.
Vielleicht wollten „Die“ ursprünglich ein Meditations Zentrum mit Ingwer Tee werden. :))
Donnerstag, 27. September 2012 21:34
Dein letzter Satz zeigt deutlich, dass du den Ernst der Lage nicht verstanden hast. Wo sollen um Gottes Willen die armen Mütter jetzt ihren Latte herkriegen, wenn ihnen mit einem Poller der Zugang zum Cafe verwehrt wird? Dem bekanntlich einzigen in *Prenzlauer Berg*?
Donnerstag, 27. September 2012 21:35
Ja, für die großen Zusammenhänge fehlt mir die Weisheit des Alters.
Montag, 1. Oktober 2012 10:54
@Opa Hans
Wenn denen der Zugang nicht verwehrt werden würde, müssten die armen Mütter erkennen, dass es dort keinen Latte gibt. Keine Milch in den Kaffee ist auch ein Prinzip des Ladens (was ich üersönlich sehr sympathisch finde).
Geht der Protest im Grunde nur darum, dass sich ein Café dem Latte-Dogma des Bezirks verweigert?
Dienstag, 2. Oktober 2012 9:56
Der Poller ist blöd, ganz blöd und da gibt es sicher eine andere Lösung … nach der sollten die Betreiber dringend suchen. Aber das Konzept des Ladens gefällt mir ansonsten supergut. Mir ist es nämlich in Cafés zu laut (und auf der Straße sowieso), etwas anderes als zu Hause krieg ich da auch nicht und mit mir selbst oder mit den Medien, die ich nutze kommunizieren kann ich überall. Räume die dafür gestaltet sind schaffen aber tatsächlich Kommunikation – so ganz zufällig, mit den Menschen die da sind. Man muss es halt mal mit kommunizieren probieren.
Gruß von Mutter zweier Kinder
Montag, 8. Oktober 2012 12:15
Mal was anderes: Müssen Gaststätten und andere Lokalitäten nicht barrierefrei sein? Was macht denn ein Rolli-Fahrer, wenn er unbedingt dort hinein möchte?