Digitaler Rassismus

Das Internet ist ein Abbild der Gesellschaft. Von himmelhoch jauchzend bis abgrundtief schlecht findet man alles. Es schließen sich Interessengruppen zusammen, um ihre Vorlieben an einem bestimmen Ding, Hobby, Thema zu vertiefen, sei es auf Blogs, Internetforen oder sonstigen Sammelstellen von digital abgelieferten Äußerungen. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Dummerweise treiben solche Einrichtungen im Netz aber auch immer mal fragwürdige Blüten. Bashing drückt es eigentlich viel zu soft aus, was man hier und da im Netz so findet. Wie uns Sascha Lobo kürzlich den Digitalen Hass erklärt hat, gehe ich noch einen Schritt weiter. Es ist der Digitale Rassismus, der in vielen Netzmikroorganismen Einzug hält. Man glaubt sich in der Gruppe so stark fühlen zu können und spürt Tendenzen in Themensträngen auf, man fühlt sich von „den anderen“ auch insoweit unbeobachtet, dass man sich dazu herablässt, eine ganze Gruppe zu verunglimpfen und sich so gleichzeitig auf eine höhere Stufe zu heben. So in etwa kann man doch Rassismus definieren.

Vor einiger Zeit hatte ich über den automobilen Rassismus schwadroniert. Liest man sich durch einige Kommentarspalten von automarkenaffinen Netzangeboten, stellt man schnell fest, dass natürlich BMWs nicht nur besser als Mercedesse sind, sondern dass damit auch gleichzeitig der Fahrer des Münchner Produkts ein besserer, wertvollerer Mensch ist als der armselige Wicht in seiner Stuttgarter Chaise. Aber es geht dann eben mit einigen soweit durch, dass sie Hasstiraden anstimmen, die man in einer Diskussion, in der man die Automarken durch Religions- oder Völkerangehörige ersetzen würde,  in eine ganz eindeutig braune Ecke stellen würde, und das zu recht.

Was auch unter sogenannten Fußballfans gilt, nämlich dass „Schalker“ selbstredend zur wertvolleren Bevölkerungsgruppe im Gegensatz zu „den Bayern“ zählen, greift nun auch auf das Internet über. Kürzlich las ich einen Themenstrang, in dem jemand ganz unbedarft fragte, wer denn auch bei Facebook sei. Statt „ich“ oder „ich nicht“, wussten natürlich etliche Verbalinkontinenzler etwas dazu beizutragen. Ein paar Bonmots gefällig?

Für mich ist “ Fäissbuck “ ( war natürlich drinnen ) die ideale Plattform für Exhibitionisten, Adabeis und Leute mit Hang, zum inhaltslosen Ausdruck.

Ich brauche Facebook so nötig wie Hundescheisse am Schuh !

Gesichtsbuch ist ab einem gewissen Alter je nach Synapsenentwicklung genauso belanglos wie Witze auf Toilettenpapier oder Serviettenringe

Zugegeben. Das ist alles relativ harmlos. Aber man erkennt schon daran eindeutige Tendenzen: Wir stellen als erstes fest, dass es die Facebookhasser besonders komisch finden, den Namen falsch zu schreiben. Das kennt man auch von Automarken. Kaum einer schreibt Ziedröhn Citroën richtig (ich auch oft genug nicht, weil ich die Punkte auf dem „e“ nicht schnell genug finde), geschweige denn, dass er das Wort richtig sprechen kann. Nicht schlimm. Eigentlich. Bestimmt gibt es sowas auch mit Fußballvereinen. Da ich mich damit nicht auskenne, kann ich kein Beispiel liefern.

Wer bei Facebook ist, wird mal gleich in eine Ecke mit Exhibitionisten und Leuten gestellt, die nichts hinkriegen. Auch der Kraftausdruck des Tierexkrements hätte im Zusammenhang: Ich brauche [Namen einer Weltreligion oder eines Volkes einsetzen] so nötig wie Hundescheiße am Schuh! gleich eine ganz andere Wirkung entfaltet, bedeutet aber, dass im Hirn desjenigen, der das geschrieben hat, eigentlich die gleichen Denkprozesse ablaufen, als dass er damit alle, die zur Gruppe der Facebookmitglieder gehören so scheiße findet, wie man Hundescheiße am Schuh finden kann. Ist ja auch eklig. Oder man ist als Facebooker eben einfach dumm.

Dabei hat sich das Thema eigentlich ganz harmlos entwickelt, bis jemand die erste verbale Entgleisung liefert. Er sieht, dass das keinen wirklichen Widerspruch in der gleichen Tonart findet. Viel mehr fühlen sich auch nun andere ermutigt, in die gleiche Kerbe zu hauen. Eben genau so, wie einer anfängt, vorm Asylantenheim „Ausländer raus“ zu krähen, bis es die ganze Menge skandiert. Diejenigen, die das abstößt, haben längst die Flucht ergriffen, um nicht angegriffen zu werden.

Typisch ist auch, dass sich die Facebookhasser offenkundig mit der Plattform nicht großartig auseinander gesetzt haben. Facebook ist erst mal nur eine Software. Es kommt ja darauf an, was man daraus macht. Einige schreiben, sie hätten sich da angemeldet und das wäre langweilig gewesen, was sie da gefunden hätten. Dabei kommt es ja gerade darauf an, selbst zu suchen, was für einen interessant ist oder mit wem man in Kontakt treten möchte. Andere beklagen, es hätten sich nach der Anmeldung gleich sooo viele Leute gemeldet, die mit ihnen befreundet sein wollten. Ich glaube davon kein Wort. Könnte es nicht so gewesen sein, dass sie sich mehr Aufmerksamkeit versprochen hatten? Wollten sie vielleicht lieber von ihren wirklichen Freunden gefunden werden, als von Spammern, die mit allem und jedem Freund sein wollen? Auch das vermeintliche Auskennen, aber die dann doch durchscheinende Unkenntnis ist charakteristisch für die Erniedrigung einer ganzen Gruppe im Sinne des Rassismus.

Facebook-Hass ist nur ein Beispiel für digitalen Rassismus. Das lässt sich auch auf andere Netzwerke übertragen. Na, wie denkst du über die, die immer noch bei Stayfriends sind? Irgendwelche Hinterwäldler, die noch mit Modem und AOL online gehen. Hab ich recht? Oder der alte Microsoft-Apple-Zwist. Auch da können einige nicht aus ihrer kleinen Rassistenhaut und hauen stattdessen munter auf andere ein, nur weil sie es wagen, eine andere Computermarke zu kaufen.

Was die Leute denken, kann man ihnen nicht verbieten. Was sie aber davon, sofern sie vorher gedacht haben, bleibend im digitalen Netz abliefern, wird man in Zukunft genauer beobachten müssen, da der digitale Umgang miteinander immer selbstverständlicher werden wird, nur dass das gesprochene Wort verhallt, das gepostete Wort aber bleibt, oder es früh genug in den digitalen Orkus gespült wird. Es ist nur verdammt schwer, ohne Zensur auszuüben, Meinungsfreiheit zu berücksichtigen, aber eben anderer Leute Würde nicht zu verletzen, dabei den richtigen Mittelweg zu finden.

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Datum: Mittwoch, 5. Dezember 2012
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Das Leben, das Universum und der ganze Rest

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5 Kommentare

  1. 1

    Klug gesprochen, fürwahr. Sowas Ähnliches sehe ich auch dann, wenn sich Leute abgrenzend als „Netzgemeinde“ bezeichnen und sich ganz toll (oder umgekehrt ganz furchtbar diskriminiert) vorkommen. Mit Twitter, WordPress und Co. zurechtzukommen ist dabei ja nun wirklich nicht wesentlich schwieriger als Telefonieren. Jedes Kind und jede Greisin kann das, wenn er/sie/es das will und sich mal ein bisschen Zeit dafür nimmt.

    Noch eine Gedanke: Dass die Hemmschwelle, Beleidigungen von sich zu geben, im Netz niedriger ist, als im RL (selten dämliche Abkürzung), ist m.E. vergleichbar damit, dass man im Straßenverkehr sich auch viel mehr über andere echauffiert, als man es von Angesicht zu Angesicht täte.

  2. 2

    oder:
    wie mache ich aus einem Luftballon ein Raumschiff!

  3. 3

    Zitat: Bestimmt gibt es sowas auch mit Fußballvereinen. Da ich mich damit nicht auskenne, kann ich kein Beispiel liefern.

    Ja, gibt es und das massenweise.

    Die Offenbacher Kickers werden von Eintracht Frankfurt Fans im Netz z.B. einfach nur Oxxen genannt.

    St. Paulianer vermeiden es gänzlich, den Namen des Hamburger Sportvereins auszusprechen oder reden einfach nur von den „Jungs von der Müllverbrennungsanlage“, die neben dem HSV-Stadion steht.

    Populärstes Beispiel ist aber wohl die Feindschaft zwischen Dortmund und Schalke. Dortmund heißt Lüdenscheid Nord und Schalke im Gegenzug Herne West.

  4. 4

    Manche identifizieren sich mit allem was sie toll finden, und tun sich schwer damit wenn andere das nicht ganz so prickelnd finden.
    Zum echten Problem wirds, wenn jede berechtigte oder unberechtigte Kritik an einer Sache, zur Beleidigung an sich selbst interpretiert wird.
    Ich glaub da gibts noch was zu lernen.

  5. 5

    Hallo unbekannter Mensch mit einfallsreichem Namen,

    ich glaube nicht, dass das Problem in der Fehlinterpretation von berechtigter und unberechtigter Kritik liegt. Denn, Kritik ist was anderes als Diffamierung. Ich glaube, da gibts noch was zu lernen.

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