Rio Reiser live!
Ich hatte mir schon gedacht, dass die Stimme von Jan Plewka sehr gut passen müsste.
Sofort, als ich die Plakate hängen sah, war mir klar, da müssen wir hin! Jan Plewka, einige kennen ihn vielleicht noch aus seligen Zeiten, wollte ich immer schon mal live sehen, was in der Provinz leider nie geklappt hat. Tja, und irgendwann war er -zumindest für mich- erstmal von der Bildfläche verschwunden.
Jetzt tauchte er also wieder auf mit einer Liedersammlungen eines der bedeutendsten deutschen (oder besser gesagt: Berliner?) Musikers Rio Reiser. Es sind die vielen Momente, wenn man die Augen schließt und Rio Reiser singen hört, macht man sie wieder auf, sieht man den charismatischen Jan Plewka.
Er versteht zusammen mit seiner Band (git, bass, drum, piano-sax-etc.), eine Stimmung zu erzeugen, die eine perfekte Mischung aus „der guten alten Hausbesetzerzeit“ und Interpretation der inzwischen Angekommenen darstellt. Neben mir stand ein Ton-Steine-Scherben-Fan, der natürlich bei allen Liedern textsicher war und nur darauf wartete, endlich Pogomäßig abzurocken. Er hielt sich sichtlich zurück, war der Saal ansonsten doch bestuhlt (!).
Das war auch oft ganz gut so. Klar, die rockigeren Nummern funktionieren mit einem sitzenden Publikum nicht wirklich. Darum gab es zum Ende noch eine Abhotte-Session. Aber gerade die Stimmung am Anfang, Jan kommt allein, nur mit Akustikgitarre, im Dunkeln von hinten die Treppe runter in den Saal, kann sich so entfalten. Naja, hätte sich richtig entfalten können, wenn nicht zehn Meter weiter an der Theke lautstark mit Bierkisten geklötert worden wäre. Das war schon etwas surreal. Dann hätte sich auch die Szene „Band geht mit Akustikinstrumenten durchs Publikum“ noch besser entfalten können.
Ein Highlight der Rauch-Haus-Song komplett unbestromt bis auf das elektrische Lagerfeuer, um das die Band auf der Bühne saß. Ohne Frage hat dieses Lied das insgesamt textsichere Publikum weitgehend allein gesungen, und so mancher hat sich wahrscheinlich insgeheim auf den Wogen der Wasserwerfer noch einmal durch Kreuzberg tragen lassen. Mein Favorit von Ton-Steine-Scherben „Der Turm stürzt ein“ wurde gleich in zwei Versionen, einmal im ersten Drittel und als Zugabe, gebracht. Jan sagte, dass es auch ihr Lieblingslied sei. Freut mich, habe ich den Song doch schon vor über 20 Jahren im Ex-Polizei-Passat meines Schulkameraden Patrick gehört!
Natürlich fehlten auch die vielen einfach schönen Lieder aus der Solo-Zeit von Rio Reiser nicht. „Für Dich“ war entweder gut inszeniert oder ist für eine Besucherin unvergesslich geworden, als Jan Plewka sie auf die Bühne bat, um dort gleich postwendend „über sie herzufallen“. „Junimond“ – selbst schon bestimmt hundert mal gesungen, kam mir als Reggaeversion bekannt vor, hatten wir das gleiche im Proberaum doch auch das ein- oder andere Mal so gespielt.
Selten habe ich einen schöneren Konzertabend erlebt. Ich denke, viele von den Besuchern wollten Rio Reiser hören und wurden nicht enttäuscht. Ich wollte nicht nur Rio Reiser, sondern auch Jan Plewka hören (hätte mich nicht gestört, wenn er als Zugaben ein paar eigene Songs gebracht hätte) und wurde reich belohnt! Nicht gespielt hat man „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ und „König von Deutschland“. Ich glaube, gefehlt haben die beiden Titel nicht. Nach dem die Band das dritte oder vierte Mal nach dem Abgang auf die Bühne zurückkehrte, stimmte sie einen fluffig-groovigen Loop an, und Jan Plewka begann, sein Publikum per Handschlag zu verabschieden „Hast Du auch nichts liegenlassen?“. Danke.
Rio Reiser Texte findet man übrigens hier.
Nachtrag:
Ich hab auf meinem Handy noch ein paar Videos gefunden. Teils von der Bildqualität etwas psychedelisch.
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