EWG-Fahrzyklen: So fährt kein Schwein

Mich hat schon lange interessiert, was eigentlich hinter diesen sagenumwobenen EWG-Fahrzyklen steckt, die auf die Richtlinienkennung 80/1268/EWG hören.

Bekannt war mir, dass sich der Praxisbezug eher in Grenzen hält. Viele Verbraucher fallen immer wieder darauf rein, dass sie meinen, ihr Pkw dürfe nicht (wesentlich) mehr verbrauchen, als sich aus den Testergebnissen ergibt, die von den Herstellern angegeben werden müssen. Vorweg nehmen kann man, dass die Testwerte allenfalls zum gegenseitigen Vergleich der Fahrzeuge untereinander taugen. Mit dem tatsächlichen Alltagsverbrauch haben sie oft nur entfernt etwas zu tun.

Schauen wir mal genauer hin. Ich habe die Daten, die ich so finden konnte, in Excel eingehackt, um den Verlauf eines Testzyklus grafisch darzustellen. Waagerecht ist die Zeit, senkrecht die Geschwindigkeit aufgetragen. Es gibt zwei Zyklen, einen für innerstädtischen, einen für außerstädtischen Betrieb. Der innerstädtische Zyklus dauert 190 Sekunden. Neben diversen Stillstandszeiten, in denen mal der Leerlauf, mal der 1. Gang eingelegt ist, und ein paar Abschnitten mit konstanter Geschwindigkeit, interessieren mich vor allen die Beschleunigungsabschnitte. Die Verzögerungen können wir außer Acht lassen. Da schaltet die Schubabschaltung die Kraftstoffversorgung ohnehin ab.
fahrzyklus-innerstadtisch.gif

Die Beschleunigungen gehen nicht über 1 m/s² hinaus. Nun sagt dieser Wert eigentlich außer ein paar Leuten wie mir nicht sonderlich viel, daher mal ein Beispiel:

Ich hatte mal eine(n) Citroen DS. Darin eingebaut hatte ich ein einfaches Beschleunigungsmessgerät. Im ersten Gang habe ich regelmäßig 3 m/s², im zweiten Gang 2 m/s² und im dritten Gang 1 m/s² erreicht. Dann war ich auf ca. 50 km/h. Man sieht also schon, dass die Beschleunigungen im Testzyklus sehr gering ausfallen. Mein Porsche, den ich danach hatte, hat den Zeiger im ersten Gang bis zum Skalenendwert von etwa 6 m/s² ausschlagen lassen. Viel mehr als 10 m/s² geht auch mit gewaltiger Motorleistung nicht, weil die Reifen die Kräfte meist nicht mehr übertragen können.

Für Unfallrekonstruktionen wurden Untersuchungen durchgeführt, mit welcher Beschleunigung der „Normalfahrer“ beschleunigt. Grob gesagt ist dabei herausgekommen, dass man mit einer Beschleunigung von ca. 2 m/s² anfährt, ziemlich unabhängig vom maximalen Beschleunigungsvermögen des Autos. Im Vergleich zum Normalfahrer wird der erste Beschleunigungsabschnitt also bereits mit nur der halben Beschleunigung gefahren. Wer nun sein altes Physikbuch herauskramt, kann feststellen, dass zum Erreichen der gleichen Geschwindigkeit mit der halben Beschleunigung auch nur die halbe Energie vonnöten ist (F=m*a; E=F*s=m*a*s). Damit haben wir also einen wesentlichen Grund gefunden, weshalb der Kraftstoffverbrauch in den Tests so gering ausfällt.

Was auch erwähnenswert ist, dass die erreichten Maximalgeschwindigkeiten nicht sonderlich hoch sind. Ich muss die Durchschnittsgeschwindigkeit des Testzyklus noch mal ausrechnen, aber da dürften so etwa 20 km/h herauskommen. Innerstädtisch kann man eher eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h erreichen. Hier muss man wissen, dass zwischen Energie und Geschwindigkeit ein quadratischer Zusammenhang besteht. Das heißt, wenn man 40 km/h fährt, hat man die vierfache Energie inne, als wenn man 20 km/h fährt. Noch ein Grund gegen die Praxistauglichkeit der Zyklenwerte.

Werfen wir nun einen Blick auf den Fahrzyklus für außerstädtisches Fahren:

fahrzyklus-auserstadtisch.gif

Auch hier haben wir es in erster Linie mit sehr geringen Beschleunigungen zu tun, die wiederum hinter den realistischen Werten zurückfallen. Allerdings muss man zugestehen, dass mit höheren Geschwindigkeiten tatsächlich deutlich geringere Beschleunigungen erreicht werden. Aber was fällt besonders auf? Richtig, der Maximalwert von 120 km/h wird gerademal für 10 Sekunden eingehalten, also nur für 2,5% des Zyklus. Demgegenüber ist die Stillstandszeit mit 10% richtig gut vertreten. Gerade hierzulande ohne generelles Tempolimit auf Autobahnen ergibt sich außerdem eine große Diskrepanz zu den in der Praxis gefahrenen Geschwindigkeiten.

Und noch ein Letztes, was eher hinter vorgehaltener Hand kolportiert wird, ist die sogenannte Zyklenerkennung. Das ist eine einfache und geniale Methode, um den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Weil der zu durchfahrende Zyklus so streng festgelegt und realitätsfern ist, ist es für ein intelligentes Motormanagement kein Problem, zu erkennen, wenn ein solcher Zyklus durchfahren wird. Außerdem kann ein modernes Auto auch erkennen, dass es auf einem Prüfstand steht, wenn sich z. B. nicht alle Räder drehen oder der Beschleunigungssensor keine Beschleunigung wahrnimmt, obwohl die Räder angetrieben werden. Nun muss die Einspritzung nur noch auf ein besonderes Software-Programm umschalten und schon läuft der Motor zwar mit verminderter Leistung. Die Leistung wird aber ohnehin bei dem Zyklus nicht abgerufen, so dass es kein Problem ist, den Motor besonders „umweltfreundlich“ laufen zu lassen. Und schon haben wir einen weiteren Grund, weshalb es verdammt schwierig ist, in der Praxis jemals die Werte zu erreichen, die uns der Kraftfahrzeughersteller mit auf den Weg gibt.

So long.

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Datum: Donnerstag, 14. Februar 2008
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5 Kommentare

  1. 1

    Praxisbezogen mögen die Werte vielleicht nicht sein, aber dadurch, dass alle Hersteller den gleichen Test nutzen, kann man zumindest die Messergebnisse vergleichen.

  2. 2

    […] mit ganz normalen CPUs und Hardware und spart sich das Geld, was Centrino und Co mehr kosten würden. 2. Man fährt weniger Auto und statt dessen ab und zu mal mit dem Bus oder der Straßenbahn. Und […]

  3. 3

    […] energiener Meinung nach dauert die Hinfahrt vom Sonnensystem weg genau > solange wie die Rückfahrt. > > Hinfahrt: > Der Grund dafür liegt daran das wir beim Start zwar mit Lichtdruck > beschleunigen können aber am Ziel wohl zu einer anderen > Antriebsmethode > (Raketentriebwerk) greifen müssen. > > Rückfahrt: > Für die Rückfahrt beschleunigt man mit eben dieser “anderen” > Antriebsmethode um dann wieder am Ziel (BSP. Erde) mit dem > Lichtdruck > bremsen zu können. > > Zeit(Beschleunigung der Hinfahrt) = Zeit(Bremsen der Rückfahrt) > Zeit(Beschleunigung der Rückfahrt) = Zeit(Bremsen der Hinfahrt) > > daraus folgt: > > zeit (Hinfahrt) = zeit(Rückfahrt) nun, die rechnung stimmt zwar, aber man kann ein raumschiff auch anders bschleunigen abbremsen… man kann dazu die gravitation von planeten sonnen und anderen himmelskoerpern nutzen… also laesst man hier das raumschiff einfach durch die gravitation der erde “einfangen” die bremsung duch sonnensegel entfaellt also zum bsp… Eugene […]

  4. 4

    […] unter 20 km/h liegt. Dabei bin ich mir sicher, dass das Auto die angegebenen Testverbräuche auf einem Prüfstand einhalten würde. Das ist ja eh nur […]

  5. 5

    Die Gleichung mit der Energie stimmt nicht. Die Energie ist die gleiche, da sich ja auch die Strecke halbiert, die zum Beschleunigen benötigt wird.