Bremen 2009: Liebling Backsberg
Man muss schon etwas verrückt sein, wenn man sich freiwillig an einem Wochenende insgesamt über 9 Stunden in eine laut scheppernde Blechdose setzt. Aber ohne diese Verrücktheit hätte ich das Event dieses Frühjahrs, das berühmte Bremer Fiat 500 Treffen verpasst. Und das wäre eindeutig ein Fehler gewesen!
Eigentlich wollten wir uns bei Hennes zur Abfahrt treffen. Der sagte aber kurzfristig ab, weil irgendetwas mit Getriebe oder Hinterachse nicht stimmte. So haben Bed-and-Breakfast-Andreas mit Valentin und ich uns am Freitag morgen gegen 9.00 Uhr am „Neucölln-Carree“ getroffen. Treibstoff bunkern, Proviant in Griffweite bereitlegen und schon gings los über die Stadtautobahn, Dreieck Funkturm, Richtung A2.
Wir kullerten dann so mit 90 Sachen dahin, immer gen Westen. Irgendwo in der Brandenburger Pampa bemerkte ich, dass mein „Pacecar“ nicht mehr so fuhr, wie vorher. Aber warum fuhr er nicht auf den Parkplatz, den wir gerade passierten? Dafür standen wir nun einen knappen Kilometer hinter dem Rastplatz auf dem Standstreifen, und die Lkw rauschten in Massen an uns vorbei. Schon kurz vor dem Stillstand konnte ich riechen, dass etwas nicht stimmte. Nach schlechter Verbrennung roch es in meinem Gehäuse. Nach der alten Regel: Wenn du keinen Qualm im Auto hast, stinkt der vor dir, war klar, woher der Geruch kam. Und so sah man auch den Motor lustig auf- und abwippeln, weil er nicht mehr rund lief. Eben so, wie wenn die Zündung kränkelt. Man merkte ihm nicht viel an, und nachdem wir an allen Kabeln mal ein bisschen gewackelt hatten, ging es weiter. Erst ruckelte Andreas‘ Auto noch ein wenig, dann ging’s ohne Probleme bis Hannover weiter. Dort teilten sich unsere Wege. Andreas und Valentin absolvierten noch einen Verwandtenbesuch und würden am Samstag nachkommen. Ich fuhr gleich rechts ab auf die A7 Richtung Hamburg/Bremen.
Früher, als ich noch in Hannover studierte und seinerzeit schon regelmäßig zum Bremer Treffen gefahren bin, kam mir die Strecke immer relativ weit vor. Jetzt hatte ich in Hannover schon das Gefühl, fast am Ziel zu sein. So kullerte ich nun mit leicht angehobener Geschwindigkeit, so 95 bis 100 km/h, weiter. In Höhe Verden/Achim fragte ich mich, ob nach 370 km auf dem Tacho nicht langsam die „Benzina-„Lampe aufblinken müsste. Ich wusste schon von meiner Essen-Fahrt zur Techno Classica, dass der Kombi bei knapp 100 km/h durchaus sparsam fährt. Aber nach 400 km war der Tank sonst immer leer. 20, 30 km vorher sollte die Lampe kommen. Also fuhr ich auf einen Rastplatz und schaute mal nach: Nö. genug von dem kostbaren Saft im Tank. Eine Familie kam lächelnd auf mich zu und sprach mich begeistert auf meinen 500er an. Na, der sei ja toll! Den normalen würden sie ja kennen, aber den Kombi? Ob ich den denn selbst umgebaut hätte. Ne ne, den gab es so zu kaufen. Warum man heute nicht mehr solche tollen Autos baut? Keine Ahnung…
Eine Viertelstunde später habe ich dann in Oyten für 380 km 16 Liter nachgetankt. Wow, knapp über 4 Liter auf 100 km! Ich bin begeistert! Zum geringen Verbrauch trägt übrigens bei, mit geschlossenem Verdeck zu fahren. Offen schlägt der Fahrtwind stark hinten hinein, sodass das Heck wie ein Bremsfallschirm wirkt und das Auto nen Liter mehr verbraucht.
Auf dem Backsberg angekommen warteten schon die üblichen Verdächtigen. Harald, Ulrike, Meikel usw. Dank Wurfzelt hatte ich meine Behausung schnell fertig und konnte mich wieder der Begrüßungsrunde widmen. Schönes Wetter war hier! Und die dunklen Wolken ziehen vorbei… Klar.
—Schnitt.—
An dieser Stelle hatte ich lange keine Lust mehr, im gewohnten Törn weiterzuschreiben. Mich erreichten eine Woche nach dem Treffen ein paar Mails und Anrufe, dass es im Nachhinein Probleme gibt. Was war passiert?
Auf der Ausfahrt, bei der ich mal wieder in Martins feinem Visa-500er beifahren durfte, ging es zu einer Draisinenbahn bei Ostereistedt (man höre und staune: Dort war ich vor ca. 25 Jahren schon mal mit dem Fahrrad.) Dort standen allerlei verschiedene Schienenfahrzeuge herum: 1- bis 3-Sitzer mit Pedalantrieb und drei Rädern, vierräderige mit Pedalantrieb, aber auch die klassischen Dinger mit so einer Wippe zum Pumpen. Einige Kinder stürzten sich sofort auf die Fuhrwerke, wurden aber doch relativ schroff von einem Verantwortlichen der Betreiber zurückgepfiffen. Losgehen sollte es wohl erst mit einem Erwachsenen als Fahrer und nach entsprechender Unterweisung.
Nach und nach verließ eine Draisine nach der anderen den kleinen, nett zurecht gemachten Bahnhof, und es wurde ruhig. Zeit für Gespräche mit den (physisch) Zurückgebliebenen. Ich schätze, es wird eine gute Stunde gedauert haben, bis die ersten zurückkamen und auch relativ schnell die Rede von einem glimpflich abgelaufenen Zwischenfall war. Eine dreiräderige „Fahrrad-Draisine“ war umgekippt und ein Junge war heruntergefallen. Nur mit viel Glück ist es nicht zu einem schlimmeren Unfall mit schweren Körperverletzungen durch die nachfolgende Pump-Draisine gekommen. Äußerlich hat der Junge nur eine Schramme erlitten, die schnell im Krankenhaus behandelt wurde. Dorthin sei man wohl ziemlich zügig gekommen. Überhaupt hätten sich vor Ort alle sehr fürsorglich verhalten, sagt der Vater des Jungen.
Der Grund für das Entgleisen bzw. Umkippen der Draisine ist mir nicht klar geworden. Einerseits heißt es, die Pump-Draisine sei auf die kleinere, vorausfahrende Draisine aufgefahren. Andererseits soll die kleine Fahrrad-Draisine erst entgleist, der Junge herabgefallen sein und dann sei die Pump-Draisine erst angekommen. Wahrscheinlich wird man den tatsächlichen Unfallablauf nicht ermitteln können. Wenn schon unmittelbar nach dem (vermeintlich) glimpflich abgelaufenen Unfall die Meinungen auseinandergehen, ist nach meiner Erfahrung nicht mit einer besseren Aufklärung zu rechnen, wenn es erstmal härter zur Sache geht.
Und das sollte es. Zwei der Erwachsenen, die zu der Gruppe mit der Pump-Draisine gehörten, hatten sich als Zeugen zur Verfügung gestellt und dem Vater des Jungen Namen und Adressen ausgehändigt. Prompt hatten sie etwa drei Wochen nach dem Treffen Post vom Anwalt im Briefkasten, wo sie aufgefordert wurden, weitere Anwesende zu benennen und insbesondere ihre Privathaftpflicht zu benennen. Denn angeblich ist der Unfall wohl keineswegs so glimpflich abgelaufen, wie man vor Ort am Samstag Abend und am Sonntag hätte vermuten können. Schwer zu sagen, man weiß es nicht so genau. Vor allem steht bei solchen Problemen immer schnell die Kausalität im Raum: Sind die Verletzungen und was sonst noch passiert sein mag wirklich Folge des Unfalls?
Die Vorgehensweise, gleich einen Anwalt von der Leine zu lassen, ist natürlich in einer Szene, die man wohl gewissermaßen als „große Familie“, wenn auch einen lockeren Verbund, ansehen kann, ziemlich ungeschickt. Man fragt sich, warum es vor der Anwaltspost keinen telefonischen Kontakt mit denjenigen gegeben hat, die sich freimütig gemeldet hatten. Stattdessen bekommen sie einen Brief, den man nicht anders verstehen kann, als dass genau gegen sie Ansprüche erhoben werden. Anders sähe es vielleicht aus, wenn sich z. B. als erstes die Haftpflichtversicherung des Betreibers oder der Betreiber selbst bei ihnen gemeldet hätte, um beispielsweise zu erfahren, ob sie oder wer wie in die Draisine eingewiesen wurde(n). Oder ob sie etwas zum Unfallhergang sagen könnten, damit die Versicherung ermitteln könnte, bei wem das Verschulden liegt, um über die Eintrittspflicht zu entscheiden, ohne ein Gerichtsverfahren anzustrengen.
Nach meiner Einschätzung gibt es drei mögliche Varianten: Erstens, die Fahrer der Draisinen wurden nicht richtig eingewiesen. Insbesondere soll wohl das Fahrverhalten der Fahrrad-Draisine auf den Weichen sehr abenteuerlich sein, so dass man bis zum Stillstand abbremsen muss, um dann ganz vorsichtig das Fuhrwerk über die Weiche zu bugsieren. Dann könnte man darüber nachdenken, dass der Betreiber die Leute nicht richtig oder nicht vollständig unterwiesen hat, wenn es denn so wäre, dass das nicht gesagt wurde. Ich kann nur vermuten, denn ich war ja nicht dabei. Die zweite Variante ist: Die Pump-Draisine ist auf die kleine Draisine aufgefahren. Dadurch ist die kleine entgleist und das Unglück hat seinen Lauf genommen. Aber vielleicht besteht auch die Variante, dass die Fahrrad-Draisine mit Vater und Sohn entgleist, der Junge dabei heruntergefallen ist und sich dadurch verletzt hat. Dann hätte die große Draisine das Geschehen praktisch nicht mehr beeinflusst. Sicherlich hat sie den Schrecken nicht gerade verkleinert. Aber der Unfall als solcher wäre schon passiert gewesen. Da fragt man sich letztlich, wer nun für den Unfall verantwortlich sein soll. Mir scheint es so, dass es sich um eines der vielen Unglücke handelt, für die man keinen eindeutig Verantwortlichen benennen kann. Auch wenn der Schrecken sicherlich tief sitzt: Es hätte schlimmer kommen können, aber das ist es zum Glück nicht.
Inzwischen schlagen die Wellen bei den Involvierten verständlicherweise hoch. So, wie ich das kenne, gibt es am Ende keinen Gewinner. Wegen ein paar Hundert Euro so eine Angelegenheit bis zum Ende durchzuziehen, ist gegenüber dem, was man alles auf’s spielt setzt, nach meinem Empfinden die Sache nicht wert.
Sollte es tatsächlich Schule machen, dass man sich gleich die Anwälte auf den Hals hetzt, bevor man das persönliche Gespräch sucht, dürfte das einen tiefen Bruch in der Szene und vor allem für die Bereitschaft der Unermüdlichen bedeuten, in Zukunft weiterhin Treffen zu organisieren und auszurichten. Selbst wenn die Organisatoren des Bremer Treffens, allen voran Harald und Ulrike, selbst nicht in der Schusslinie sind, könnte ich es gut verstehen, wenn sie davon absehen, im nächsten Jahr für die Allgemeinheit ein Treffen auszurichten. Auch wenn ich mit meinem Optimismus immer mal wieder daneben liege, hoffe ich diesmal, dass sich die Sache wieder einrenkt. Juristisch ist aufgrund der unklaren Rechtslage und der Beweislast, die beim Anspruchsteller liegt, nach meinem laienhaften Verständnis eh nichts zu holen. Da sollte der Betreffende seinen Advokaten besser wieder zurückpfeifen.
Besonders schade finde ich, dass durch diese unsägliche Geschichte die vielen tollen Momente des Treffens in Vergessenheit geraten. Am Freitag gab es abends nicht nur Pizza, sondern vorher auch noch leckeren Kuchen. Live auf dem Treffen gebacken! Nicht zu vergessen am Samstag Abend Axelli’s Essen, das es ohne die vielen Helferlein wohl erst nachts gegeben hätte. Und ein besonderes Highlight: Die Diashow mit Fotos von Treffen aus den tiefsten 80er Jahren. Hach, waren wir da noch jung. Aber mal ehrlich: So komisch sind wir da rumgelaufen? Ne, nä..?
Achso: Als ich gut wieder zu Hause angekommen bin, hab ich im Schnitt 4,3 l/100 km verbraucht. Auch toll.
Und hoffentlich: Wiedersehen im Mai 2010!
(Weitere Fotos gibt’s hier.)
Dienstag, 2. Juni 2009 22:06
Schön geschrieben und schade, dass es solch einen Ärger gibt!
Mittwoch, 3. Juni 2009 17:59
das sind schon extrem putzige autos, die originalen 500er. wobei der 600er auch was hat. und wie monströs groß der neue fiat 500 im direkten vergleich zum alten wirkt.
was die draisinennummer angeht: wirklich komisch, wenn da direkt mit anwälten aufeinander geschossen wird. vor allem, wenn man sich persönlich und aus so einem umfeld kennt. das sind eher leute, mit denen man nichts zu tun haben will.
Mittwoch, 3. Juni 2009 19:26
Tja, man hat es auch dort eben mit einem ganz normalen Querschnitt durch die Bevölkerung zu tun.
Freitag, 5. Juni 2009 6:31
Ganz normaler Querschnitt? Zum Glück nicht, aber ein paar „Normalos“ sind leider schon dabei 🙁
Samstag, 19. Dezember 2009 23:08
[…] Mai hat’s ne Menge neue Fotos gegeben. 1. Mai, Bremer Fiat-500-Treffen, und die Gärten laden wieder zum Fotografieren ein. Darum mal ein Bild mit zwei augenscheinlich […]
Donnerstag, 15. April 2010 9:09
Hallo Will,
sehr amuesant und schoen geschrieben Deine Artikel… Danke dafuer!
Mein Sohn (6 Jahre) und ich sind seit unserem Toskana-Urlaub vor drei Jahren richtige Fans von den „alten“ Fiat 500 geworden.
Es ist mittlerweile auch schon zum „Sport“ geworden, dass mein Sohn sich vor/neben jedem 500er/600er platziert und ich diesen Moment festhalten muss.
Eine erachtliche Foto-Sammlung koennen wir aufweisen…
Da wir in Hamburg wohnen, sind wir letztes Jahr (2009) zum Backsberg gefahren um weitere „Fototrophaeen“ zu „schiessen“; jedoch am Sonntag… Natuerlich war der Hauptteil der 500er bereits auf dem Heimweg unterwegs. Dieses Jahr werden wir am Samstag zum Backsberg fahren. Uns wuerde daher interessieren wohin die „Parade-Ausfahrt“ geht und geplant ist…
Ueber sachdienliche Hinweise wuerden wir uns sehr freuen.
Vielen dank + schoene Gruesse aus Hamburg
Kiyo 😀
Donnerstag, 15. April 2010 9:26
Hallo,
leider kenne ich das Ziel der Ausfahrt selbst noch nicht. Vielleicht finde ich es aber heraus.
Wegen der Ausfahrt wäre es ungünstig, nachmittags zwischen 13 und 16 Uhr auf dem Treffenplatz zu erscheinen. Entweder vorher oder nachher. Wer vorher kommt, hat vielleicht auch Glück, eine Mitfahrgelegenheit in einem der 500er zu ergattern.