Coronisch unterbelichtet #2 – Gerichtstermin
Gestern war meine erste Gerichtsverhandlung in der sog. Corona-Krise.
Der Termine war zunächst abgesagt, dann auf einen anderen Tag verlegt worden, schlussendlich wurde auch noch einmal der Saal geändert. Statt wie üblich in der Kirchstraße fand der Termin im Kriminalgericht an der Turmstraße statt.
Auf der Ladung fand ich keinerlei Hinweise auf besondere Verhaltensregeln, nicht einmal, ob im Gerichtsgebäude ein Mundnasenschutz zu tragen ist. Ich entschied mich, eine Maske dabei zu haben, und setzte die dann auch im Gebäude auf, obwohl ich derzeit weder niesen noch husten muss. Ich atme ganz normal so vor mich hin. Von den professionellen Prozessbeteiligten war ich damit derdie Einzige. Es waren auch eine Menge Zeugen geladen. Eine ältere Dame kam mit ihrem Enkel, beide hatten eine Maske auf, ansonsten noch zwei der weniger als zehn Zuschauer, anscheinend von der Presse. Als die Verhandlung aufgerufen wurde, sammelt sich dann auch erst mal eine im Wesentlichen unmaskierte Traube Menschen vor dem Saaleingang. Viele Justizangestellte hatten eine Maske auf, etliche aber auch nicht.
Im Saal waren die Tische etwas auseinandergerückt. Für den Richtertisch gab es anscheinend eine Plexiglasscheibe. Die hatte man aber beiseite gestellt. Es wurde irgendwie versucht, mindestens 1,5 m Abstand zu halten. Das ging auch solange gut, bis ein Zeuge gebeten wurde, etwas an einer Skizze oder auf einem ausgedruckten Foto zu zeigen. Weil ja alle irgendwie sehen sollen, was gezeigt wird, kamen sich dann doch plötzlich alle recht nahe. Geniest oder gehustet hat aber keiner.
Die Verhandlung zog sich sehr in die Länge. Um 9 Uhr war es losgegangen, um 11 meinte der Vorsitzende, mal eine Pause einzulegen und zu lüften. Das geschah dann auch für 10 Minuten oder eine Viertelstunde. Dann ging es weiter. ZeugInnen kamen und gingen, ebenso BesucherInnen. Dann ging es weiter mit der Beweisaufnahme, also Zeugenvernehmung. Ich saß ziemlich abseits fast 3 bis 4 Meter hinter dem Zeugentisch, etwa einen Meter zur Seite versetzt. Wenn die Leute normal redeten, hörte ich nicht viel. Der Raum ist ein alter denkmalgeschützter Saal mit hohen Decken, hölzener Wandverkleidung und sicherlich auch denkmalgeschütztem Linoleumboden. Das hallt wie in einer Kathedrale. Mit einer Akustikdecke und optimalerweise auch noch Teppichboden wäre das alles viel besser. Hoch lebe das (hässliche, stickige, mit Null Handyempfang gesegnete) AG Tiergarten Nebenstelle Kirchstraße. Denkmalschutz geht bekanntlich vor Benutzbarkeit. Und so spitzte ich meine Ohren, versuchte mich auf das Gemurmel zu konzentrieren und war wenigstens angesichts der Akustik froh, dass die Leute nicht auch noch durch eine Maske reden mussten. Dann hätte ich auch gleich nebenbei besser Musik hören können oder so. Ich hätte nichts verstanden.
Nach rund fünf oder fünfeinhalb Stunden war der Spuk nach einer weiteren Pause zur Urteilsfindung zu Ende. Fenster auf, alle raus (zur Tür, nicht zum Fenster).
Wir stellen fest: Alle üben derzeit noch, mit der Situation zurechtzukommen. Nimmt der Richter oder die Richterin die möglichen Infektionsgefahren ernst, leidet darunter die Verhandlungsfähigkeit wegen Unverständlichkeit, vor allem, weil Räume aus heutiger Sicht suboptimal eingerichtet sind. Wird sie nicht ernstgenommen, verursacht zumindest mir der lange Aufenthalt mit „neuen“ Leuten in relativ kleinen Räumen Unbehagen. Ich hätte gerne eine wirksame, aber unauffällige Möglichkeit, mich selbst zu schützen. Das sieht aber wohl schlecht aus. Also gehe ich weiter davon aus, schon immun zu sein, weil ich mir einbilde, bereits im März ganz leichte Symptome gehabt zu haben. Schwacher Trost. Möge es der Wahrheitsfindung dienen.