Eine Frage zur Gleichbehandlung

Auf Twitter hab ich mir neulich mal wieder eine blutige Nase geholt. Worum es genau ging, weiß ich schon gar nicht mehr. Ach ja, doch: Angeblich haben nur Frauen das Recht, eine Meinung zu Abtreibung haben zu dürfen. Ich habe aber auch eine Meinung dazu (Frauen sollten selbst entscheiden dürfen). Die darf ich aber nicht haben, weil ich nicht gebärfähig bin (Dass nicht alle Frauen gebärfähig sind, spielte wiederum keine Rolle. Man darf als Mann darauf dann auch nicht aufmerksam machen). Naja. Das lief insgesamt eher unglücklich.

Ich habe die Tweets gelöscht. Das war von Anfang an mein Plan, wenn die Diskussion aus dem Ruder läuft, womit ich zu 90% gerechnet habe. Das ist immer so, wenn sich selbsternannte Gerechtigkeitsdurchsetzungsbeauftragte einschalten, insbesondere solche mit dem Hang zum Missverstehenwollen, der Twitter ja seit einigen Jahren anlastet.

Jetzt gibt es da wieder so einen Vorfall. Außer in meiner Echokammer weiß ich nicht, wo ich darüber schreiben soll. Da, wo es hingehört, nämlich in die ständige Redaktionskonferenz des Techniktagebuchs, traue ich mich nicht, es zu schreiben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das nicht gut geht, liegt erfahrungsgemäß auch dort deutlich über 50%. Also, bleibt mir nur, es in meinem ureigenen Blog zu schreiben. Hier bin ich Herr und Hausmeister in einer Person.

Also, worum geht’s:

Es gibt von Kathrin Passig einen jüngst erschienen Beitrag im Techniktagebuch:

Das Michael-Rutschky-Gedenk-Multitool

(Übrigens, Michael Rutschky scheint auch eine bemerkenswerte Person gewesen zu sein, das nur nebenbei, siehe hier. Die in dem Artikel beschriebenen Mechanismen sind auch auf andere Kreise übertragbar und waren für mich in vielerlei Hinsicht sehr aufschlussreich. Darum geht es jetzt aber nicht.)

In dem Beitrag von Kathrin Passig im Techniktagebuch kommt folgender Satz vor:

„Männerkörper sind nämlich im richtigen Leben gar nicht wie der von John Wick.“

Ich habe mit dem Satz kein Problem. Er dürfte wohl absolut zutreffen. Was ich mich aber frage, ist, was passieren würde, wenn ich in einem Beitrag ungefähr folgenden Satz schrübe:

„Frauenkörper sind nämlich im richtigen Leben gar nicht wie der von Lara Croft.“

Ich vermute, da würde aber ein ordentliches Getöse aus absehbarer Richtung kommen. Vielleicht sogar zu recht. Aber kann dann Kathrins Satz unkommentiert so stehen bleiben?

Auf Twitter wurde mir nicht mal zugestanden, bei ähnlichen Problemen naiv oder unsicher sein zu dürfen. Nicht, nicht wissen zu dürfen, was angemessen ist. Ob es derzeit zumindest in Ordnung ist, Männer eher zu schelten als Frauen, weil sich das Rad jetzt mal andersrum dreht als in den letzten paar hundert Jahren? Vielleicht ist das ja richtig so. Unter Gleichbehandlung könnte man das zwar nicht subsumieren, aber vielleicht muss man es der versammelten Männerschaft eben erst mal einbimsen, damit sie lernt, wie sie sich zu verhalten hat.

Ich nehmen an, ich werde keine Antwort auf die Frage bekommen, die in sich nicht irgendeinen tadelnden Unterton hat, eine Kränkung oder eine Maßregelung. Damit werde ich dann wohl leben müssen. Ich finde den Satz übrigens überflüssig und nicht besonders witzig.

 

 

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Datum: Samstag, 17. Oktober 2020
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Draußen nur Kännchen, im Fluss, Wie getz?

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2 Kommentare

  1. 1

    Moin,

    es gibt da den schönen Text von Heinrich von Kleist „Von der Verfertigung der Gedanken beim Reden“, der die Schleifung der eigenen Gedanken durch das Reden gerade hervorhebt, um sich zu verbessern. Das wird heute gerne verkannt.

    Ich nehme auch wahr, dass einige Leute gerne fundamentalistische Grundhaltungen einnehmen, um von da aus andere niederzutadeln. Auf Twitter fand ich die Diskussion zu Jürgen von der Lippes Auftritt in Hart aber fair so affig: Da möchte jemand seinen Sprachgebrauch nicht ändern, weil ihn die Kritik an demselben nicht überzeugt, und das ist schon fundamentalistisch? Balken im eigenen Auge und so.

    Was dein Beispiel aber angeht, da kommt es mir vor, als ob unterschiedliche Dinge verglichen werden: Passig meint meiner Meinung nach, dass Wick übertrieben unverletzlich dargestellt wird. Lara Croft scheint mir auf die Optik in deinem Satz reduziert zu werden, das ist etwas anderes, das greift ja eher direkt Gefühle an, wenn man sich vergleicht.

  2. 2

    Aus dem Zusammenhang in Kathrins Artikel bist du, Carsten, der Ansicht, dass mit dem Satz „Männerkörper sind nämlich im richtigen Leben gar nicht wie der von John Wick.“ wohl gemeint sei, dass Wick übertrieben unverletzlich dargestellt wird. Das ist nachvollziehbar. Das betrachtest du nicht als problematisch.

    Aus dem gleichen Satz, nur auf eine Frau bezogen („Frauenkörper sind nämlich im richtigen Leben gar nicht wie der von Lara Croft.“), ohne irgendeinen weiteren Zusammenhang, bist du aber der Ansicht, dieser reduziere nun plötzlich auf die Optik. Und würde damit sogar Gefühle angreifen.

    Warum? Es ist doch gar kein Zusammenhang dabei, der irgendwie eine Reduktion auf die Optik andeuten würde? Und Lara Croft tut doch nun wirklich mehr als reine Optik zu sein?

    Im Gegenteil: Dass du diese ansonsten gleichen Sätze so unterschiedlich liest, offenbar nur weil der eine sich auf einen Mann, der andere sich auf eine Frau bezieht, und dass auch du signalisierst, dass der Satz auf eine Frau bezogen unangemessen wäre („das greift ja eher direkt Gefühle an“), bestätigt doch direkt Will Sagens These: dass nämlich der Satz über eine Frau „ordentliches Getöse aus absehbarer Richtung“ auslösen würde – über einen Mann aber nicht.

    Warum das aber so ist – warum die Sätze so unterschiedlich gelesen werden – und warum der eine also erlaubt ist und der andere nicht, das erschließt sich weiterhin nicht.

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