Freitag, 4. Juni 2010 7:57
Die Auto-Fritzen sind schon so Experten für sich. Wenn man sich, so wie ich, nicht nur mit alten Autos, sondern auch mit den Fahrern, Haltern und Schraubern beschäftigt, lernt man schon die ein oder andere Macke kennen.
Ein Fiat-500-Fahrer fährt natürlich nicht nur seinen Fiat 500. Bevorzugtes Urlaubsland ist die Apennin-Halbinsel. Zu Essen gibt es nur Nudeln. Auf dem Tisch steht selbstverständlich Chianti oder, wenn es Bier sein soll, die 2/3-Liter Buddel Moretti. Auf dem Fiat-Treffen wird am Wohnwagen gern mal die Tricolore gehisst. Bekommt der Fiat-500-Fahrer Nachwuchs heißt der Nicola (auch wenn es ein Junge ist) oder Giulia (auch wenn es kein Auto ist). Auf dem Pampersbomber klebt ein kleiner grün-weiß-roter Aufkleber, gern aber auch mal mit dem grünen Feld rechts.
Wenn ein Fiat-500-Fahrer sich aber auch für Produkte, Weisheiten, Geschehnisse aus anderen Teilen der Welt interessiert, sollte er das besser für sich behalten. Besonders extrem scheint das für englisches/japanisches (etwa gleich(un)wertig) oder vor allem französisches zu gelten. Ein beliebter Umbau eines Fiat 500 ist, die werksseitige Rüttelplatte Antriebseinheit auszubauen und durch die eines Citroën Visa zu ersetzen. Selbstredend kann niemand ßi-tro-en richtig aussprechen, so dass lautmalerisch daraus „Ziehdröhn“ wird, um auch gleich eine Abfälligkeit mit einzubauen. Dabei muss man sich vor Augen führen, dass der Visa-Motor ein richtig feines Stück Technik ist. Wahrscheinlich ist es daher nur der Neid auf einen vernünftigen Antrieb, der so zum Ausdruck kommt.
Ich möchte wetten, dass sich die „Visatreter“ gar keine blöden Sprüche anhören müssten, wenn der Motor aus einem italienischen Automobil stammen würde. Wäre das ein Alfa-Motor, ginge wahrscheinlich ein „Ooo“ und „Aaa“ durch die Menge. Man stünde Schlange, um dem Erbauer auch einmal auf die Schulter klopfen zu dürfen. Ansatzweise kann man das bei einem (wirklich genialen) Umbau eines Fiat 500 mit Moto-Guzzi-Motor sehen. Hätte der gute Mann einen Güllepumpe (CX500)-Motor genommen, hätte er sich aber etwas anhören können!
Oder kürzlich das Gesuch eines Renault Estafette Fahrers: Er möchte gern ein Fiat-500-Faltdach in seinen Bus einbauen. Na, das ginge aber nicht! Das schöne Dach in einem furchtbaren Franzosending! Jede Wette, dass es Leute gibt, die so ein Ersatzteil eher bis zum Sanktnimmerleinstag aufheben, als es dem Renaultschrauber zu geben. Glücklicherweise hat man aber wohl doch noch die Kurve gekriegt, als der Estafette-Mensch mitteilte, dass er mit seinem Bus die lustige, 5-köpfige Kinderschar durch die Gegend schaukelt. Hätte er das Dach für einen Fiat 900 Bus haben wollen, hätte es wohl weniger Aufruhr gegeben. Das grenzt schon fast an automobilen Rassismus.
Ich kann das nicht nachvollziehen. Ob das nun meine Alltagsautos oder meine Klassiker betrifft: Bislang war es mir immer ziemlich wurscht, woher der fahrbahre Untersatz stammte. Im Gegenteil: Es ist geradezu interessant, auf welchen unterschiedlichen Konstruktionswegen man zu ähnlichen Produkten gelangen kann. Gehen die Franzosen eher pragmatisch an die Konstruktion eines Kleinwagens, der gern mal eher nicht schön im Sinne von ästhetisch ist (Renault 4, Ente, Ami, Simca 1000), haben die Italiener es doch meistens geschafft, die Kleinheit in einem durchaus ansehnlichem Gehäuse unterzubringen (Fiat 500, Fiat 600, Bianchina …). Selbstredend kann man natürlich Ausreißer von dieser Regel finden.
Die tumbe Ablehnung alles fremdartigen nur seiner Herkunft wegen kann ich jedenfalls nicht nachvollziehen, und würde mir vor allem bei meinen automobilen Genossen wünschen, mal mehr über den Tellerrand zu gucken. Das hat noch keinem geschadet. Aber auch in der großen Politik wird bekanntlich erst mal alles abgelehnt, was nicht aus dem eigenen Lager stammt. Wie kann man das dann den kleinen Leuten vorwerfen?