Donnerstag, 16. Oktober 2008 10:12
Edit: Dieser Artikel wird gerne von Seiten verlinkt, die ihre rechte Grundhaltung nicht verschleiern. Ich sag’s ganz ehrlich:
1.) Eure Mordverschwörungstheorie ist aus meiner Sicht völliger Blödsinn und
2.) hat es hinsichtlich der braunen Gesinnung den Richtigen erwischt.
Verpisst euch, Drecks-Nazis!
So, und hier geht der Artikel eigentlich los:
Natürlich ist er zu schnell gefahren. Aber über die überall kolportieren 142 km/h kann ich nur müde lächeln.
Als erstes muss man sich mal fragen, welche Geschwindigkeit das sein soll. Beim Überholen, beim Kontrollverlust, beim (ersten) Überschlag, bei der Kollision mit irgendwelchen Mauern, Hecken oder Betonpfeilern oder Hydranten? Was denn nun?
Die Süddeutsche berichtet: Haider sei zum Zeitpunkt des Unfalls 142 km/h gefahren, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Klagenfurt. Aha. Na, das muss schon ein toller Sachverständiger sein, der das so genau berechnen kann. Warum kann ich das nicht so genau? Ich mache seit 10 Jahren nichts anderes, und mir gelingt es nicht, Geschwindigkeiten so exakt zu berechnen? Ich Versager, ich…
Vielleicht war es ja auch ganz anders, wenn wir scoop.at glauben:
Jörg Haider: Mit mehr als 170 km/h und 1,8 Promille unterwegs! Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider soll bei seinem tödlichen Verkehrsunfall nicht wie gemeldet 142 km/h gefahren sein, sondern wesentlich schneller. Der Tacho seines Fahrzeuges blieb bei 142 km/h stehen, als der Wagen schließlich durch den Betonpfeiler abgebremst wurde.
Na, wenn der Tacho bei der Geschwindigkeit stehen blieb, muss das ja die richtige Geschwindigkeit (fragt sich, welche, siehe oben) gewesen sein, mit der er fuhr. Dazu habe ich ihn DAR etwas veröffentlicht, das es allerdings nicht online gibt. Zitat aus dem Schlusssatz: Gewissheit über den richtigen Wert kann man aus der Anzeige … nicht ableiten. Die Ermittlung der Kollisionsgeschwindigkeit sollte daher dem Unfallanalytiker und nicht Kommissar Zufall vorbehalten bleiben. Man kann sich leicht vorstellen, dass allein schwere Erschütterungen die Tachoanzeige beeinflussen können.
Nun sind wir aber immerhin ja auch schon bei mehr als 170 km/h! Ich wette, dass der Haider mit seinem VW auch schon mal noch schneller gefahren ist! Fragt sich nur, was das mit dem Unfall zu tun hat.
Bei SpON lesen wir: Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE erklärte Kranz nun am heutigen Mittwoch, man habe bereits einen Tag nach dem Unfall die genaue Geschwindigkeit mitteilen können, weil „ein Sachverständiger im Beisein von VW-Fachleuten“ das Computersystems des stark beschädigten Phaetons kurzfristig habe auslesen können. Ja, was denn nun? Hat er nun den Tacho abgelesen (der zweifelsohne an das Computersystem des Phaeton angeschlossen ist) oder hat er tatsächlich Zugriff auf bestimmte Daten gehabt, die im Fahrzeug gespeichert sind? Warum wird (mir) von den Herstellern immer gesagt, dass solche Daten gar nicht gespeichert werden? Warum muss dieser Sachverständige die Daten nicht erst in einen Gesamtzusammenhang bringen (vulgo Unfallanalyse)? Bliebe die Möglichkeit, dass der Wagen mit einem UDS ausgestattet war (was ich aber nicht glaube).
In der Welt wird man nun konkreter: Die Stellung der [Drossel]Klappe gibt gemeinsam mit Motordrehzahl und Getriebeübersetzung Hinweise auf die Geschwindigkeit vor dem Aufprall und kann vom Hersteller ausgelesen werden. … Nach Angaben des Herstellers VW können nur die Daten der letzten 30 Sekunden gespeichert werden. Zwei mysteriöse Gutachter von VW hätten sich mit dem Fahrzeug beschäftigt. Interessant als erstes, dass die da überhaupt drandurften. Aber nun, mag ja sein, wenn es der Wahrheitsfindung dient. Dennoch ist äußerst fragwürdig, wie man auf diesen Geschwindigkeitswert gekommen ist. Wahrscheinlich haben die beiden zuviel „Per Anhalter durch die Galaxis“ gelesen und hauen standardmäßig „42“ als Antwort auf alle Fragen heraus (um die Pressemeute ruhigzustellen), mussten aber wohl erkennen, dass das zu wenig wäre und haben 100 hinzugemogelt.
Nehmen wir an, dass es doch möglich ist, die Daten auszulesen. Dann muss man die Daten aber in einen zeitlichen Ablauf einbinden. Sind die 142 km/h etwa der erste gespeicherte Wert, 30 Sekunden bevor alle Lichter ausgegangen sind? Der Unfall hat sicherlich keine 30 Sekunden gedauert. Bei einem Unfall mit Überschlag usw. aus rund 140 km/h wird man von einer Dauer von über den Daumen nicht einmal 10 Sekunden ausgehen können, bis alles zum Stillstand gekommen ist. 20 Sekunden zeitlich noch weiter zurück sind für den Unfall dann ziemlich irrelevant. Das entspricht bei 142 km/h einer Strecke von knapp 800m. Da ist der ja noch in einer anderen Stadt gewesen!
Alles in allem ist das mal wieder ziemlich unreflektierter Unfug, der in der Presse verbreitet wird. Aber irgendwas muss man ja schreiben. Schließlich hat man die Pflicht zur Information. Immerhin wird in der Welt auch ein Herr Klein vom ADAC zitiert: Zwar sei es möglich durch Unfallspuren und Schäden am Fahrzeug auf die zuvor gefahrene Geschwindigkeit zu schließen, jedoch wäre die Zahl 142 Kilometer pro Stunde „äußerst gewagt“. Das macht ja wenigstens etwas Mut. Leute, lasst es euch sagen: So einfach geht das nicht, mal eben einen Unfall aufzurollen.
Besonders freue ich mich übrigens auch stets darüber, dass man (Presse, Zeugen, Polizei) sofort nach einem Unfall genau weiß, dass jemand ungebremst irgendwo gegen gefahren ist. Ungebremst! Woher weiß man das, wenn man nicht dabei war und nicht in der Lage ist, einen Unfall zu rekonstruieren? Trotzdem liest man in Unfallmeldungen in den Medien andauernd von „ungebremst hier ungebremst da“. Machen wir uns doch mal den Spaß und suchen bei google nach „Haider“ und „ungebremst“. Ich möchte wetten, dass auch im Zusammenhang mit Haiders Unfall mehrere Male „ungebremst“ auftaucht.
Und siehe da: Gleich das erste Ergebnis: „Haider raste ungebremst in den Tod“ titelt der für seriöse Berichterstattung bekannte Berliner Kurier. (Edit: Der zweite Treffer ist inzwischen, nach nur 5 Minuten, dieser Artikel selbst.) Dieser Titel gefällt mir übrigens besonders: Rechts aussen knallte Haider in einen Betonpfosten. „Ungebremst“ findet man weiter unten bei den Bildunterschriften. Und so weiter und so fort.
Ich werde mich ohne nähere Kenntnis der Unfallspuren nun kaum dazu hinreißen lassen, selbst etwas zur Geschwindigkeit zu sagen. Mag ja sein, dass er 140 fuhr. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass er langsamer war. Wie die Presse es vermag, Unfälle zu rekonstruieren, haben wir ja schon beim Tod von Prinzessin Diana gesehen. Da hat das ja auch hervorragend geklappt. Wenn mich nicht alles täuscht, war es auch dort die Tachoanzeige, die den richtigen Wert anzeigte…
P.S.: Gerade fiel mir noch folgendes ein, das ich mir nicht verkneifen kann: Wenn ich die Bilder von dem Auto so sehe, hätte Haider übrigens bessere Chancen gehabt, wenn er einen rechtsgelenkten Phaeton gehabt hätte. Hätte doch sowieso besser zu ihm gepasst. Und 142 km/h sind 88 mph. Bei der Zahl müssen die Verschwörungstheoretiker doch wohl steil gehen!